„Ich sehe was, was du nicht siehst“
Fuchs’sche Endotheldystrophie und DMEK – ein Erfahrungsbericht von Sibylle Klein
Sibylle Klein
Sibylle Klein erhielt 2024 die Diagnose Fuchs’sche Endotheldystrophie und kurze Zeit später auch schon eine Spenderhornhaut per DMEK-Transplantation. Den Weg dorthin sowie die Auswirkungen auf ihre Sicht skizziert sie in ihrem Erfahrungsbericht:
„Ich habe in letzter Zeit immer öfter so eine Schliere vor meinem Auge. Wie so morgens, wenn das Auge noch etwas verschleimt ist.“ Die Sonne scheint mir ins Gesicht, ich sitze mit einer Freundin im Biergarten bei uns am See. „Das klingt nicht gut. Vielleicht solltest du mal zur Augenärztin“, erwidert sie. Ja, dachte ich mir, dann bekomme ich ein paar Augentropfen und alles ist wieder gut.
Operation statt Augentropfen
„Schauen Sie auf mein Ohrläppchen.“, „Schauen Sie in den roten Punkt.“, „Jetzt das Auge weit aufmachen und nicht blinzeln.“ Die Augenärztin wusste schon nach meiner ersten Beschreibung, was ich habe, die Untersuchungen haben es bestätigt: Fuchs’sche Endotheldystrophie. Die innerste Schicht der Augenhornhaut geht kaputt, die Pumpzellen, die die Flüssigkeit aus der Hornhaut transportieren, funktionieren nicht mehr. Die Therapie: Eine OP. Ein Transplantat. Von einem toten Menschen.
„So lange würde ich nicht warten!“
„Gar keine Lust drauf“, dachte ich mir fast trotzig. „Ich komme doch gut zurecht.“ Trotzdem hatte ich mir einen Termin in der LMU-Augenklinik in München geben lassen. Wie von meiner Ärztin empfohlen. Sie wollte die Meinung der Spezialist:innen. Noch hatte ich etwas Hoffnung: Vielleicht ist es gar nicht so eilig mit der OP. Vielleicht gibt es doch einfach ein paar Tropfen, die den Verlauf zumindest verlangsamen. Und wenn dann wäre Februar 2025 mein Wunschtermin für die OP. Dachte ich mir. Da habe ich noch nichts vor. „Solange würde ich nicht warten“, meinte der Arzt an der Uniklinik. Die Operation sei dringend angeraten, bestätigte er, und zwar so bald wie möglich. Er trug mich in die Spendendatenbank der DGFG ein. „Meist dauert es zwei bis drei Monate, dann erhalten Sie einen Anruf. Und eine Woche später ist dann die OP.“ Nach diesem Termin wurde mir immer klarer und deutlicher, wie schlecht ich sehe: 40 % Sehleistung auf dem linken Auge lassen sich nicht wegwünschen.
Ihre Hornhaut ist da!
Der Anruf von der DGFG kam bereits 4 Wochen später: „Wir haben eine Hornhaut für Sie. Ihr OP-Termin ist am 8. Oktober 2024, am 7. Oktober 2024 um 9 Uhr werden Sie stationär aufgenommen.“ Da wurde ich nervös. Jetzt ist es wirklich wahr, jetzt kann ich es nicht mehr verdrängen. Die Zeit läuft. Ich sagte alle Oktoberfest-Besuche ab, vermied große Menschenansammlungen und versuchte so, nicht krank zu werden. Wenn es schon sein musste, wollte ich es dann auch hinter mir haben.
Die was?
Und er kam, der 7. Oktober 2024. Um kurz nach neun war ich in der Klinik, um ca. 11 Uhr in meinem Zimmer. Der Pfleger erklärte mir, was jetzt folgt: „Der Stationsarzt schaut Sie an, dann macht er die YAG und dann kommt das Anästhesie-Gespräch.“ „Die was???“, fragte ich. Ach, das wüsste er jetzt auch nicht soo genau, meinte er. Der Arzt hat es mir erklärt: YAG bedeutet, dass man Löcher in das Auge gelasert bekommt, damit nach der OP der Augendruck nicht zu hoch wird, wenn die Gasblase im Auge ist. Die Löcher bleiben für immer. Ich war fertig mit der Welt. Löcher ins Auge lasern, und das ohne Vollnarkose! Wie sollte ich das bloß überstehen?
Dönersalat im Klinikgarten
Untersuchung, YAG und Anästhesie-Gespräch, um 15 Uhr war alles erledigt und ich hatte überlebt. Was nun? Ich besorgte mir Kaffee, ging im Klinikinnenhof spazieren und wartete auf meine Tochter. Sie kam, mit Dönersalat, und verkürzte mir den Tag.
Selten so gut geschlafen
Die Nacht vor der OP hatte ich erstaunlich gut geschlafen, trotz Angst und schnarchender Bettnachbarin. Ich war die Erste in der Früh, die operiert wurde: Um 8.17 Uhr kam der Pfleger. Ich zog mein OP-Hemd und die OP-Strümpfe an, die OP-Haube hatte ich in der Hand. Ich wollte selbst zum OP-Trakt gehen, der Pfleger bestand darauf, mich im Bett zu schieben. Im OP-Trakt angekommen, ging dann alles sehr schnell: OP-Haube auf, Propofol in die Venen und weg war ich. Ich habe selten so gut geschlafen.
Ich sehe was, was du nicht siehst
Die Tage nach der OP mit Rückenlage waren anstrengend, aber machbar. Zum Essen und zur Toilette durfte ich aufstehen. Den Körper durfte ich bewegen. Nur der Kopf bzw. die Augen sollten gerade nach oben gerichtet sein. Damit die Gasblase das Implantat optimal andrückt. Die Nacht war schlimm, aber irgendwann auch vorbei. Am Donnerstag durfte ich heim, mit der Auflage, diesen und auch den nächsten Tag viel am Rücken zu verbringen. Mein Mann hat mich abgeholt, daheim lag ich auf der Couch. Allmählich wurde mir langweilig, trotz Hörbuch, Podcasts und ähnlichem. „Wollen wir was spielen“, quengelte ich meine Tochter an. „Gerne“, meinte sie. „Wie wäre es mit ‚Ich sehe was, was du nicht siehst‘?“ Ich musste herzlich lachen.
Fenster geputzt
Ja und dann kam er, der Moment, für den sich alles gelohnt hat: Ich sehe! Und zwar soviel besser als vorher, dass ich erschüttert, fasziniert und glücklich gleichzeitig war und immer noch bin. Der Kontrast der Buchstaben zum Hintergrund! Die Schärfe der Bilder auf meinem Handy! Das war das erste, was mir aufgefallen ist. Dann weiter: Die Straßenschilder, die Landschaft, der Garten, die Häuser, die Bäume, die Menschen, einfach alles ist scharf und klar. So als hätte jemand endlich die sehr verschmutzten Fenster geputzt. Die Ängste, die Nervosität, die YAG, die Rückenlage, die gesamte OP: Es hat sich gelohnt!