Was sind die Voraussetzungen für eine MSG-Spende auf Klinikseite?
Für eine MSG-Entnahme müssen uns die Kliniken geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Möglich wäre eine Entnahme in einem Operationssaal. Da diese tagsüber meist belegt sind, führen wir die Entnahmen in der Regel in Räumlichkeiten der pathologischen Institute durch. Wir auditieren die Räume vorher und prüfen sie auf ihre hygienische Eignung hin. Passt alles, kommen wir mit dem gesamten Entnahme- und Rekonstruktionsmaterial vor Ort an. Das ist wie ein mobiler OP, bestehend aus OP-Sieben, Abdeckmaterial, Desinfektionsmitteln und Prothesen für die Wiederherstellung der Verstorbenen.
Wie läuft eine MSG-Entnahme ab?
Das Team wäscht sich zunächst richtig ein, so wie für eine normale Operation. Auch der oder die Verstorbene wird abgewaschen, die Entnahmestellen desinfiziert und mit sterilen OP-Tüchern herum abgedeckt. Dann beginnt die drei- bis vierstündige Entnahme. Erfolgt die MSG-Spende im Nachgang an eine Entnahme der Gefäße und des Herzens für die Gewinnung der Herzklappen, dauert eine solche Spende fünf bis sechs Stunden.
Was bedeutet eine MSG-Spende für den Abschieds- und Bestattungsprozess?
Wir versorgen die Entnahmestellen mit handgefertigten Holzprothesen mit einem richtigen Kniegelenk, die in der Länge an die Größe der Verstorbenen angepasst werden können. Die Prothesen werden anstelle der entnommenen Knochen eingebracht. Die Weichteile werden ebenfalls aufgefüllt. Ein Bein sieht daher, um es plastisch auszudrücken, auch nach einer solchen Entnahme wieder aus wie ein normales Bein. So übergeben wir die Verstorbenen an den Bestatter oder die Bestatterin. Eine Abschiednahme ist im Nachgang immer möglich.
Was geschieht nach der Entnahme?
In speziellen Transportbehältern steril verpackt, werden die Gewebe in ein sogenanntes Zwischenlager gebracht. Dort können die Präparate bis zu ein Jahr bei einer definierten Temperatur verbleiben. So hat die prozessierende Einrichtung mehr Flexibilität, um die Abholung der Präparate und die Aufbereitung vorzubereiten. Bei kradiovaskulären Geweben ist das Zeitfenster deutlich enger. Hier müssen Herz und Gefäße spätestens 48 Stunden nach Todeseintritt in der Gewebebank sein.
Wer kann überhaupt MSG spenden?
Ganz grundsätzliche medizinische Ausschlussgründe, die wir für alle Gewebegruppen haben, sind zum Beispiel Tumorleiden, um die Übertragung von Metastasen auf den Empfänger oder die Empfängerin zu verhindern. Auch Erkrankungen des blutbildenden Systems, wie z.B. Leukämie, oder das Vorliegen schwerer Infektionserkrankungen, wie z.B. eine Pilzsepsis oder HIV, führen zum Ausschluss einer Spende. Gewebespezifische Ausschlussgründe sind in diesem Fall erbliche oder erworbene Erkrankungen der Knochen oder Autoimmunerkrankungen, die Gewebe wie Sehnen und Bänder schädigen. Wenn Menschen schwer verunfallt sind, muss geprüft werden, ob die Knochen für eine Spende noch geeignet sind.
Wie hoch ist der Anteil an MSG-Spenden bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen?
Eine MSG-Spende kann im Nachgang an eine Organspende, aber auch bei Herz-Kreislauf-toten Spender:innen (HKTS) bis zu 48 Stunden ab Todeseintritt durchgeführt werden. Hierfür muss eine Überführung der Verstorbenen binnen sechs Stunden in eine Kühlung in der Klinik sichergestellt werden. Ohne Kühlung muss eine Entnahme nach 12 Stunden abgeschlossen sein. Aktuell liegt dieser Anteil an MSG-Spenden nach HKTS bei rund ein Drittel. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist das Vorliegen einer Blutprobe für die Infektionsdiagnostik. Hierfür dürfen wir auf Rückstellproben in den Kliniklaboren zurückgreifen. Sollte es keine Rückstellproben mehr geben oder nur in zu geringen Mengen, dann können wir auch innerhalb der ersten 24 Stunden nach Todeseintritt diese Blutprobe postmortal bei den Verstorbenen entnehmen.
Wie werden die Angehörigen über eine MSG-Spende informiert?
Wir haben die Pflicht, sicherzustellen, dass Angehörige über Art und Umfang der möglichen Gewebespende informiert werden. Schließlich haben sie immer die Möglichkeit, eine Gewebeentnahme einzuschränken oder ihr zu widersprechen. Erhalten wir die Meldung eines Organspenders oder einer -spenderin mit Zustimmung zur Gewebespende, müssen wir auch hier sicherstellen, über welche Gewebeentnahmen gesprochen wurde und für welche Gewebe genau es eine Zustimmung gibt.
Welche Reaktionen erfährst du in solchen Angehörigengesprächen?
Wenn wir mit den Angehörigen über eine mögliche Gewebespende sprechen, sei es eine Augenhornhaut-, Herzklappen-, Gefäß- oder MSG-Spende, dann erläutern wir zunächst diese Formen der Gewebespende und was damit passiert: welche Gewebe entnommen werden könnten, wie eine solche Entnahme abläuft, wie die Rekonstruktion erfolgt und wie der Abschiedsmoment sein wird. Entweder sind die Angehörigen insgesamt gegen eine Gewebespende oder aber sie sind sehr überrascht, dass eine solche Spende bei ihrem Familienmitglied noch möglich ist und dankbar, dass wir sie auf diese Möglichkeit angesprochen haben. Im Nachgang versenden wir auf Wunsch einen Informationsbrief, um über den weiteren Verlauf der Spende aufzuklären. Darin steht, ob die Spende erfolgreich realisiert und Patienten und Patientinnen damit versorgt werden konnten. Wir erhalten dann oft die Rückmeldung, dass Angehörige froh darüber sind, dass die Gewebespende dem Tod noch einen Sinn gegeben hat.
Was sind die nächsten Schritte im MSG-Spendeprogramm?
Wir wollen diese Spende auch flächendeckend in Deutschland anbieten können. Da die MSG-Spende sehr zeitintensiv ist und viele Personalressourcen bindet, haben wir aktuell nur Kernteams in den Regionen Nord und Ost ausgebildet. Wir sind aber bereits seit einiger Zeit dabei, auch die Koordinatorinnen und Koordinatoren aus den anderen Regionen entsprechend auszubilden und mit dem Entnahme-Material auszustatten. Hierfür bieten wir eigene Trainings genauso wie Workshops und Austauschprogramme mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern an.