Gewebespende
Was sind die Unterschiede von Organ- und Gewebespende?
Im Verhältnis zu den 933 Organspenden in 2021 ist die Zahl der Gewebespenden mit 2.877 (ohne Lebendspenden) etwa dreimal so hoch*.
Auch im Rahmen einer sogenannten Multi-Organspende können Gewebe entnommen werden. Voraussetzungen hierfür sind die Meldung potenzieller Spender*innen durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), der Ausschluss medizinischer Kontraindikationen sowie die Einwilligung zur Gewebespende. Die DGFG koordinierte 2021 in Zusammenarbeit mit der DSO 373 solcher Gewebespenden von Organspender*innen.
Im Unterschied zur Organspende ist die Gewebespende nicht an den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion (Hirntod) gebunden.
Im Durchschnitt wurden in 2021 rund 29 Stunden nach Todeseintritt Gewebespenden realisiert. Augenhornhautspenden sind bis zu 72 Stunden nach Versterben möglich. Herzklappen und Blutgefäße werden überwiegend im Rahmen von Organspenden direkt im OP entnommen, können aber auch unabhängig von der Organspende gewonnen werden. Hier beträgt das Zeitfenster für eine Spende der kardiovaskulären Gewebe maximal 36 Stunden nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Dieser Zeitraum gibt den Angehörigen die Möglichkeit, eine stabile und von allen Familienmitgliedern getragene Entscheidung zu treffen.
Konträr zur Organspende ist die Gewebespende in Deutschland dezentral organisiert.
Somit gibt es eine Vielzahl an Akteuren in der Landschaft der Gewebemedizin. Die DGFG ist jedoch in ihrer Struktur in Deutschland einzigartig: In den vergangenen Jahren hat sie ein bundesweites Netzwerk aus Kliniken und Gewebebanken aufgebaut – das größte dieser Art in Deutschland.
Die Vermittlung der Transplantate erfolgt getrennt.
Die Verteilung der Spenderorgane in Deutschland läuft über die Stiftung Eurotransplantat, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in den Niederlanden. Die Vermittlung der Gewebetransplantate erfolgt über die Gewebeeinrichtung mit entsprechender Genehmigung des Paul-Ehrlich-Instituts. Die DGFG ist dabei die größte Organisation für Gewebemedizin in Deutschland mit einer zentralen Vermittlungsstelle, die von Hannover aus eine bundeseinheitliche Warteliste für alle angemeldeten Patient*innen führt. Rund 120 Transplantationsprogramme werden innerhalb des Netzwerkes mit Augenhornhäuten, 35 Kliniken mit Herzklappen und Blutgefäßen und etwa 40 Einrichtungen mit Amnionpräparaten versorgt.
Gewebe werden nicht sofort transplantiert.
Das ist ein großer Unterschied zur Organspende. Nach der Entnahme der Gewebe kommen diese in Gewebebanken, wo sie für die spätere Verpflanzung aufbereitet, kontrolliert und gelagert werden. Bis zur Freigabe zur Transplantation untersuchen zusätzlich speziell zugelassene Labore sowohl das Blut als auch das Spendergewebe auf Keime und Infektionskrankheiten. Jede Gewebespende ist von der Einwilligung über die Aufbereitung bis hin zur Transplantation lückenlos dokumentiert und rückverfolgbar.
Die Bestimmungen zum Schutz der Transplantatempfänger*innen sind strenger als in der Organspende.
Die Sicherheit der Empfänger*innen eines Gewebetransplantats steht an erster Stelle. Deshalb kann die DGFG trotz sorgfältiger Vorauswahl nicht jedes entnommene Gewebe für eine Gewebeaufbereitung nach § 8d Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) freigeben. Gründe dafür sind beispielsweise nachträglich festgestellte Kontraindikationen, nicht geeignete Blutproben oder der Nachweis von Infektionskrankheiten bei der Blutuntersuchung. In der Gewebebank kann es bei Augenhornhäuten zu unerwarteten Zellverlusten kommen. Auch eine Vernarbung im Gewebe oder der Nachweis eines Keims können eine Transplantation unmöglich machen. Daraus ergibt sich die Differenz zwischen gespendeten und zur Transplantation freigegebenen Gewebepräparaten.
Ein großer Unterschied zur Organspende besteht auch in der Finanzierung.
Kliniken erhalten für eine Organentnahme und den damit verbundenen finanziellen Aufwand eine Entschädigung, die von der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) in Form einer Pauschale gezahlt wird. Die DSO wiederum stellt den Krankenkassen der Organempfänger die Kosten der Entnahme in Rechnung. Zudem erhält das jeweilige Transplantationszentrum für die Organübertragung und die Behandlung der Patient*innen eine Fallpauschale von der Krankenkasse der Empfänger*innen. Diese Fallpauschalen werden vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) festgelegt und sind öffentlich einsehbar. Die DGFG erhält für die Gewebespende hingegen weder Zuwendungen von Krankenkassen noch von der öffentlichen Hand. All ihre Aufwendungen in der Spende, in den Gewebebanken und in der Transplantatvermittlung refinanziert die DGFG ausschließlich aus den Erstattungssätzen für die erfolgreich abgegebenen Gewebetransplantate. Die Krankenhäuser rechnen ihre Kosten dann im Rahmen des DRG-Systems mit der Krankenkasse der Patient*innen ab. Niemals müssen Patient*innen für ein Transplantat direkt bezahlen.
Organ- und Gewebespende – gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Sowohl die Spende von Organen als auch Geweben ist im Transplantationsgesetz (TPG) geregelt.
Jedoch kommen für die Entnahme, Aufbereitung und Verteilung von Geweben weitere Verordnungen hinzu. Grundlage ist die EU-Richtlinie 2004/23/EG. Sie legt in der gesamten Europäischen Union einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Gewebezubereitungen fest. Der Gesetzgeber übertrug im Jahr 2007 mit dem Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen, kurz Gewebegesetz, diese Richtlinie ins deutsche Rechtssystem. Das Gewebegesetz ist ein Artikelgesetz. Es wurde vor allem durch Änderungen des Arzneimittel- (AMG) und Transplantationsgesetzes (TPG) umgesetzt.
*Dies sind die Zahlen der DGFG. Deutschlandweit gibt es jedoch auch weitere Einrichtungen für die postmortal Gewebe gespendet werden kann. Die Anzahl der Spenden ist dadurch deutlich höher.
Warum ist die Gewebespende im Gegensatz zur Organspende weitestgehend unbekannt?
Der Fokus in der Aufklärungsarbeit liegt seit Jahren auf der lebensrettenden Organspende.
Gewebespende wird dabei kaum thematisiert und wenn doch, dann meist verkürzt. Dass eine Entscheidungsdokumentation zur Gewebespende auch über den Organspendeausweis möglich ist und eine Gewebespende nicht an den Hirntod (unumkehrbarer Ausfall der gesamten Hirnfunktionen) gebunden ist, sondern bis zu 72 Stunden nach Herz-Kreislauf-Stillstand möglich ist, wissen die wenigsten.
In welchen Fällen hilft die Gewebespende?
Die Gewebespende trägt seit über 100 Jahren dazu bei, Erkrankungen und Verletzungen erfolgreich zu behandeln.
Zu den zu transplantierenden Geweben gehören Herzklappen, Blutgefäße, Knochen und Sehnen, Augenhornhäute, Haut sowie die Amnionmembran (Plazentaspende).
Die Hornhauttransplantation ist die weltweit am häufigsten durchgeführte Transplantation. Hornhauttransplantate kommen bei Infektionen (Pilze, Bakterien oder Viren), Verbrennungen, Verätzungen (z.B. durch Kalk) oder Erkrankungen der Augenhornhaut, die zu einer Eintrübung (Hornhautdystrophien) oder starken Verformung (Keratokonus) der Hornhaut führen, zum Einsatz.
Humane Herzklappen kommen oft bei jungen Patient*innen und Kindern zum Einsatz, die an angeborenen Herzklappenfehlern leiden. Hierbei ist bei langer Haltbarkeit keine Antikoagulation (Herabsetzung der Gerinnung) notwendig.
Humane Blutgefäße werden oft bei Patienten mit infizierten, künstlichen Gefäßprothesen (zum Beispiel die große Bauchaorta) eingesetzt. Dies sind meist Notfälle, in denen bei einer akuten Infektion das Leben auf dem Spiel steht. Gefäßtransplantate bewahren Patient*innen auch vor Amputationen von Gliedmaßen.
Muskuloskelettale Transplantate schenken Patient*innen wieder Mobilität. Knochentransplantate werden häufig in der Tumorchirurgie bei großen Knochendefekten eingesetzt. Kleinere Defekte werden mit Hilfe von Knochenpasten oder -schrauben behandelt. Sehnen oder Bänder kommen z.B. bei Sportverletzungen (Riss der Achillessehne oder mehrmaliger Riss des Kreuzbandes) zum Einsatz. Knochen in Verbindung mit Weichteilgewebe wird oft bei schweren Gelenkdefekten verwendet.
Amnionmembran wird in der Wundheilung der Augenhornhaut, in der Gynäkologie (Uterus und Vagina), der Mund-Kiefer-Chirurgie und in der Behandlung chronischer Wunden (z.B. Diabetischer Fuß) sowie als temporärer Hautersatz bei Verbrennungen eingesetzt.
Warum ist per se nicht jedes Krankenhaus in der Gewebespende aktiv?
Jedes Krankenhaus in Deutschland entscheidet für sich, ob es sich an der Gewebespende beteiligen möchte. Hier ist das Engagement der einzelnen Kliniken sehr unterschiedlich. Eine gesetzliche Pflicht gibt es nicht. Jedoch schließen sich jedes Jahr immer mehr Kliniken dem bundesweiten Netzwerk der DGFG an. Dabei ist die Mithilfe an dem Ausbau der Spende, um schließlich die eigenen Patienten besser mit Gewebe versorgen zu können, ein wichtiger Motivationsfaktor.
Ist der Hirntod für eine Gewebespende relevant?
Im Gegensatz zur Organspende ist die Gewebespende nicht an die Feststellung des Hirntods gebunden.
Mehr als 90 Prozent der Gewebespender sind eines normalen Todes gestorben, z.B. an Herzversagen oder an einer Krebserkrankung. Abhängig vom Gewebe können Gewebespenden können noch bis zu 72 Stunden nach dem Stillstand des Herzkreislaufs entnommen werden.
Gibt es Gewebe, die ich lebend spenden kann?
Nur in wenigen Fällen ist eine Lebend-Gewebespende möglich: Mütter können sich im Rahmen von geplanten Kaiserschnitten für eine Plazentaspende entscheiden. Patient*innen die ein künstliches Hüftgelenk erhalten, können die entnommenen Hüftköpfe spenden.
Bekommt ein Patient ein Spenderherz transplantiert, kann das erkrankte Herz gespendet werden. Trotz der schweren Herzerkrankung sind Aorten- oder Pulmonalklappe häufig noch intakt und können anderen Patienten helfen.
Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH (DGFG)
Was ist die DGFG?
Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) wurde 2007 als gemeinnütziges Unternehmen gegründet. Sie ist eine unabhängige Gesellschaft in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Wir organisieren Gewebespende, betreiben und arbeiten mit Gewebebanken zusammen und vermitteln Gewebe zur Transplantation. Die DGFG ist die einzige Gewebeeinrichtung in Deutschland, die fast im gesamten Bundesgebiet Gewebespenden koordiniert und begleitet.
Ist die DGFG eine Organisation, die Gewebe gewinnbringend verkauft? Ist die Gewebespende kommerziell?
In Deutschland werden insbesondere Augenhornhäute, Herzklappen, Blutgefäße, muskuloskelettale Gewebe (wie Knochen, Sehnen und Bänder) und Haut nach dem Tod gespendet. Die Spende ist genau wie die Organspende rein altruistisch. Für beide Spendeformen gilt das Transplantationsgesetz.
2007 trat das sogenannte Gewebegesetz – das Gesetz über die Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen – in Kraft.
Es setzt eine EU-Richtlinie, die EG-Geweberichtlinie 2004/23/EG, aus dem Jahr 2004 um. Seither sind Gewebezubereitungen, die Gewebe i.S.v. § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes (TPG) sind oder aus solchen hergestellt werden, gemäß § 4 Abs. 30 des Arzneimittelgesetzes (AMG) als Arzneimittel definiert. Die Richtlinie soll für Gewebeprodukte europaweit einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards schaffen. Diese Standards betreffen die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen.
Das Gewebegesetz ist ein Artikelgesetz.
Es setzt die EU-Richtlinie vor allem durch Änderungen des AMG und des TPG um. Im Rahmen des AMG sind u.a. genehmigungsrechtliche Fragen rund um die Gewebeentnahme und -aufbereitung sowie das Inverkehrbringen geregelt. Rechtliche Fragen der Gewebespende wie etwa die Aufklärung und das Einholen der Einwilligung der Spender bzw. der Angehörigen sowie das Gewebehandelsverbot sind im TPG verankert. Dort sind auch Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an Gewebeeinrichtungen formuliert.
Das deutsche Transplantationsgesetz ist seit 1. Dezember 1997 in Kraft.
Mit dem zehn Jahre später folgenden Gewebegesetz wurden Gewebespenden mit in das TPG einbezogen. Erstmals wurde zudem ein grundsätzliches Handelsverbot für nicht industriell hergestellte und hinreichend bekannte Gewebezubereitungen, wie z.B. Herzklappen oder Hornhäute gesetzlich fixiert.
Für Gewebepräparate und Organe sind somit unterschiedliche Bestimmungen von Bedeutung.
Grund dafür ist, dass im Unterschied zu Organen jedes Gewebe vor der Transplantation eine Reihe von Verarbeitungsschritten durchläuft. Dazu gehören Reinigungs-, Präparations- und Konservierungsprozesse. Denn: Gewebe werden im Unterschied zu Organen nicht direkt nach der Entnahme transplantiert, sondern in Gewebebanken zu Transplantaten aufbereitet und untersucht. All diese Schritte werden behördlich überwacht, was zu umfangreicheren Prozessbeschreibungen und Qualitätssicherungsmaßnahmen führt. Ziel ist es, allen Empfängern von Gewebetransplantaten ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität zu gewährleisten.
Während die Spende immer altruistisch ist, wird in Deutschland anhand zweier Paragraphen entschieden, ob eine Gewebespende handelbar ist oder nicht: Bei einer Zulassung nach §21 AMG sind Gewebespenden wie herkömmliche Arzneimittel herzustellen und dürfen auch gehandelt werden. Dies betrifft vor allem Massenprodukte (wie z.B. Medikamente wie Aspirin etc.). Aus der Gewebespende können das auch Knochenzubereitungen sein, ist uns, der DGFG, in Deutschland aber nicht bekannt.
Bei einer Zulassung für Gewebe nach §21a AMG handelt es sich ebenfalls um ein Arzneimittel.
Dies hängt damit zusammen, dass schon vor dem Gewebegesetz das Arzneimittelgesetz bestand. 2007 wurde dann die Herstellung von Gewebetransplantaten in das Arzneimittelgesetz eingegliedert. Es wurde jedoch eine Ausnahme zum §21 AMG geschaffen: der §21a AMG. Hier sind alle Gewebe zur Transplantation beschrieben, die nach herkömmlichen Verfahren schon viele Jahre in Deutschland hergestellt wurden (Augenhornhaut, Herzklappen, Blutgefäße, Amnion, Knochen etc.). Um diese herkömmlich hergestellten Gewebe abzugrenzen, wurden sie 2007 als Gewebezubereitungen definiert. Diese werden nach §21a AMG in einem vereinfachten Verfahren zugelassen und unterliegen dem Handelsverbot!
Wie finanziert sich die DGFG?
Die DGFG finanziert sich über die Erstattungssätze der erfolgreich zur Transplantation vermittelten Gewebe, die sie den Kliniken in Rechnung stellt.
Diese Erstattungssätze decken ausschließlich die angefallenen Kosten für die Gewebespende in den Krankenhäusern, die Verarbeitung zum Transplantat in den Gewebebanken sowie den Aufwand der Vermittlung. Die Krankenhäuser rechnen ihre Kosten dann im Rahmen des DRG-Fallpauschalensystems mit der Krankenkasse der Patient*innen ab. Die DGFG erhält für die Gewebespende weder Zuwendungen von Krankenkassen noch von der öffentlichen Hand. Aufklärungsprojekte, sowie Forschung und Entwicklung können nur mit Hilfe von Spenden- und Fördergeldern realisiert werden.
Wie kommt es zu der geografischen Verteilung im DGFG Netzwerk?
Die Zusammenarbeit im Netzwerk der DGFG basiert auf Freiwilligkeit aller. Die geografische Verteilung ist dabei zufällig. Der Großteil der Gewebebanken ist entweder an Universitätskliniken entstanden oder aber an Kliniken mit einem großen Schwerpunkt auf Augenhornhautchirurgie.
Arten von Gewebe
In welchen Fällen hilft die Augenhornhautspende?
Eine Augenhornhauttransplantation ist bei Patient*innen erforderlich, deren Hornhaut sich krankhaft verändert hat oder durch Unfälle schwer verletzt wurde. Hornhauterkrankungen können auch angeboren sein.
Die Hornhauttransplantation ist die weltweit am häufigsten durchgeführte Transplantation. Hornhauttransplantate kommen bei Infektionen (Pilze, Bakterien oder Viren), Verbrennungen, Verätzungen (z.B. durch Kalk) oder Erkrankungen der Augenhornhaut, die zu einer Eintrübung (Hornhautdystrophien) oder starken Verformung (Keratokonus) der Hornhaut führen, zum Einsatz.
Was sind die Vorteile von humanen Herzklappen (Homografts) im Vergleich zu biologischen oder künstlichen?
- Haltbarkeit: Längere Haltbarkeit im Gegensatz zu tierischem Herzklappenersatz
- Keine Medikation auf Lebenszeit: Keine Behandlung mit blutverdünnenden Medikamenten wie bei mechanischem Herzklappenersatz erforderlich.
- Weniger Nachoperationen: Homografts kommen dem körpereigenen Gewebe am nächsten und reduzieren damit die Wahrscheinlichkeit eines Transplantatversagens bzw. einer Abstoßung und damit die Wahrscheinlichkeit einer riskanten Nachoperation.
- Humane Herzklappen wachsen mit, was gerade bei Kindern und jungen Patient*innen sehr wichtig ist.
Wofür werden entnommene Gefäße benötigt?
Humane Blutgefäße werden oft bei Patienten mit infizierten, künstlichen Gefäßprothesen (zum Beispiel die große Bauchaorta) eingesetzt. Dies sind meist Notfälle, in denen bei einer akuten Infektion das Leben auf dem Spiel steht. Gefäßtransplantate bewahren Patient*innen auch vor Amputationen von Gliedmaßen.
Wie sieht die Wiederherstellung des Äußeren des Spenders nach der Entnahme aus?
Wichtig bei jeder Gewebespende ist die pietätvolle Wiederherstellung des Äußeren des Spenders. Nach der Entnahme von kardiovaskulären Geweben werden, wie bei einer Operation, die Wunden achtsam vernäht und mit einem Verband versorgt. Im Falle einer Knochenspende wird nach der Entnahme den Verstorbenen eine Prothese eingesetzt. Bei einer Augenhornhautspende wird das Auge durch eine Glasprothese in der Augenfarbe der Spender*innen ersetzt und anschließend das Lid sorgsam verschlossen*. Die Angehörigen haben nach einer Spende immer die Möglichkeit, sich würdevoll zu verabschieden. Eine Aufbahrung und das Durchführen religiöser Rituale sind ohne Einschränkung möglich.
*Dies ist das Vorgehen der DGFG.
Eine weitere Möglichkeit ist die Spende der sogenannten Korneoskleralscheibe. Zur würdevollen Wiederherstellung wird in diesem Prozess eine Kunststoffschale als Abdeckung gewählt.
Was passiert mit den Herzklappen und Gefäßen nach der Entnahme?
Gefäße und Herzklappen werden in Gewebebanken prozessiert (aufbereitet) und anschließend kryokonserviert (tiefgefroren) bei ca. -180°C in Flüssig-Stickstoff. So sind Gefäß- und Herzklappen-Transplantate bis zu fünf Jahre lagerbar.
Warum werden nur bestimmte Gefäße entnommen?
Die Prozessierung in der Gewebebank (die Aufbereitung zu einem Transplantat) ist nur bei größeren Gefäßen möglich, daher werden nur die großen Gefäße (Bauch und Extremitäten) entnommen.
Ist eine HLA-Typisierung des Gewebes notwendig? Bekommen die Empfänger Immunsuppressiva wie bei Organspenden?
Eine HLA-Typisierung wird allein für die Gewebespende in der Regel nicht gemacht und liegt nur vor, wenn die Gewebe im Rahmen einer Multi-Organspende gespendet wurden. Eine Übereinstimmung von Immunmerkmalen, wie sie bei der Transplantation von Organspenden notwendig ist, ist bei der Gewebespende nicht notwendig. Nach der Transplantation von Geweben wird in der Regel keine Immunsuppression gegeben.
Was sind die Vorteile von humanem muskuloskelettalen Gewebe im Vergleich zu künstlichen Implantaten?
Gewebespenden kommen den körpereigenen Geweben am nächsten.
Sie werden vom eigenen Immunsystem viel besser erkannt und nicht als fremd wahrgenommen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, einer schnellen, unkomplizierten Heilung. Humanes Gewebe kann besser mit dem Defekt verwachsen. Fremder, gespendeter Knochen wird irgendwann zu eigenem Gewebe.
Was passiert mit der Plazenta (bzw. mit der Amnionmembran) nach der Entnahme?
Die Plazenta wird in der Gewebebank prozessiert, d. h. aufbereitet. Dabei wird die Amnionmembran vorsichtig abgezogen, gereinigt und zugeschnitten. Anschließend wird die Amnionmembran kryokonserviert und tiefgefroren. Sie kann bei unter -60°C bis zu ein Jahr nach Herstellungsdatum gelagert werden.
Wem kommt die Amnionspende zugute?
Aufgrund ihrer hervorragenden, wundheilungsfördernden Eigenschaften kann die Amnionmembran in verschiedenen Gebieten in der Medizin eingesetzt werden. Sie wird z. B. bei Defekten der Hornhautoberfläche oder im Anschluss an eine Hornhauttransplantation in der Ophthalmologie sowie bei orbitalen Eingriffen zur Wundheilung eingesetzt. Darüber hinaus verwenden Mediziner*innen Amnionmembran als temporären Hautersatz bei thermischen Verletzungen und Wundheilungsstörungen (z.B. chronische Wunden wie Diabetischer Fuß), in der gynäkologischen Chirurgie (Uterus und Vagina) sowie in der Mund-Kiefer-Chirurgie zur Abdeckung schwer zu versorgenden Wundflächen.
Prozesse
Wie lange dauert eine Spende?
Das hängt ganz von der Art der Gewebespende ab: Während eine Augenhornhautspende ein recht schneller Eingriff von 20-30 Minuten ist, handelt es sich bei der Entnahme von Herzklappen, Gefäßen und muskuloskelettalen Geweben um eine richtige Operation, die vier bis fünf Stunden dauern kann.
Was passiert in den Gewebebanken?
Gewebe werden nicht sofort transplantiert. Das ist ein großer Unterschied zur Organspende.
Nach der Entnahme der Augen, Herzklappen, Blutgefäße oder Knochen kommen diese in Gewebebanken. Mitarbeiter bereiten die gespendeten Gewebe mit unterschiedlichen Verfahren für die spätere Verpflanzung vor. Dieser Vorgang nennt sich Prozessierung. Parallel untersuchen bis zur Freigabe zur Transplantation speziell zugelassene Labore das Blut der Spender*innen auf Keime und Infektionskrankheiten.
Die Präparate lagern abhängig von der Gewebeart und Konservierungsmethode unterschiedlich lange in der Gewebebank. Die Lagerdauer für Augenhornhäute in einem flüssigen Kulturmedium bei ca. 36-38 Grad Celsius beträgt bis zu 34 Tage – von der Entnahme bis zur Transplantation. Herzklappen- und Gefäßpräparate sowie Knochengewebe können bis zu fünf Jahren kryokonserviert werden.
Wie werden Empfänger für Hornhauttransplantate gefunden? Gibt es eine Warteliste? Wie wird priorisiert?
Jedes stationäre oder ambulante Transplantationszentrum kann seine Patient*innen bei der DGFG für die Transplantation einer Augenhornhaut, einer Herzklappe, eines Gefäßes oder einer Amnionmembran anmelden. Die Registrierung ist unverbindlich und kostenfrei. Mit einem bundesweiten Netzwerk kann die DGFG eine Regel- und Notfallversorgung auch bei schwankenden Beständen und Nachfragen sicherstellen.
Bei Hornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen gibt es noch immer einen Engpass an verfügbarem Gewebe, weshalb hier die Patient*innen auf eine Warteliste gesetzt werden. Die Zuteilung ist dabei abhängig von verschiedenen Faktoren: darunter die Dringlichkeit, OP-Methode, dokumentierte Wartezeit, Alter der Patient*innen, ggf. HLA-Match. Notfälle werden i.d.R. sofort versorgt. Jedoch ist der Mangel insbesondere an Herzklappen so hoch, dass in 2021 nur etwa jede zweite Anfrage überhaupt versorgt werden konnte.
Welche Zentren transplantieren Homografts (Gefäße und Klappen)?
Homografts werden in spezialisierten Zentren, das sind Herz- und Gefäßchirurgien, transplantiert. Diese sind häufig in Universitätskliniken zu finden. Doch auch darüber hinaus gibt es Fachkliniken auf diesem Gebiet (z.B. Herzzentren).
Kann ich mich als Gewebespender registrieren?
Seit März 2024 können alle Bürgerinnen und Bürger unter www.organspende-register.de ihre persönliche Entscheidung zur Organ- und Gewebespende digital dokumentieren. Damit startet die erste Stufe der schrittweisen Inbetriebnahme des Online-Registers für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende (OGR). Die vollständige Anbindung aller relevanten Akteure in Organ- und Gewebespende erfolgt bis Januar 2025. Bis dahin befindet sich das OGR in einem Übergangszeitraum, in dem der eigene Wille weiterhin über einen Organ- und Gewebespendeausweis oder eine Patientenverfügung schriftlich festgehalten werden sollte.
Neben der Dokumentation des eigenen Willens sollte mit Angehörigen über die persönliche Einstellung und Entscheidung hinsichtlich einer Gewebe- und Organspende gesprochen werden.
Rechtliches
Wer darf Gewebe spenden?
Grundsätzlich kann jeder Mensch Gewebe spenden.
Jeder Gewebespende geht eine umfassende Prüfung des Spenders auf Kontraindikationen voraus: Liegen übertragbare Krankheiten vor? Ist der Spender selbst Empfänger eines Transplantats der Augenhornhaut oder Dura Mater?
Neben absoluten Kontraindikationen gibt es auch gewebespezifische Gründe, die gegen eine Spendereignung sprechen können. Der optimale Nutzen für den Empfänger und der unbedingte Schutz vor übertragbaren Krankheiten erfordern eine strenge Risikoabwägung. Der ärztliche Dienst der DGFG klärt gemeinsam mit Ärzten und Angehörigen ab, ob eine Gewebespende möglich ist.
Kann man die Empfänger persönlich kennenlernen?
Wie bei der Organspende ist es gesetzlich verboten, eine Verbindung zwischen Spender*in und Empfänger*in herzustellen. Erlaubt ist lediglich auf Wunsch ein Informationsbrief an die Angehörigen im Nachgang. Darin beschrieben ist, ob die Gewebe erfolgreich vermittelt werden konnten. Transplantatempfänger*innen steht es frei einen anonymen Dankesbrief zu schreiben. Auf Wunsch veröffentlicht die DGFG diese Briefe auf ihrer Website, um so den Dank an die Spender*innen öffentlich kundzutun.
Dürfen wir Ihnen die Akte einfach so zeigen? Dürfen wir Ihnen einfach so telefonisch Auskunft geben?
Diese Frage wird häufig von medizinischem Personal gestellt. Das Transplantationsgesetz gibt klare Datenschutzrichtlinien vor.
7 TPG (Transplantationsgesetz) – Datenverarbeitung, Auskunftspflicht
Abs. 1
Die Verarbeitung personenbezogener Daten eines möglichen Organ- oder Gewebespenders, eines nächsten Angehörigen oder einer Person nach § 4 Abs. 2 Satz 5 oder Abs. 3 und die Übermittlung dieser Daten an die nach Abs. 3 Satz 1 auskunftsberechtigten Personen ist zulässig, soweit dies erforderlich ist.
1. zur Klärung, ob eine Organ- oder Gewebeentnahme nach § 3 (…) zulässig ist und ob ihr medizinische Gründe entgegenstehen, (…)
Abs. 2
Zur unverzüglichen Auskunft über die nach Abs. 1 erforderlichen Daten sind verpflichtet:
1. Ärzte, die den möglichen Organ- oder Gewebespender wegen einer dem Tode vorausgegangenen Erkrankung behandelt hatten,
2. die Einrichtung der medizinischen Versorgung, in der der Tod (…) festgestellt worden ist, (…)
Abs. 3
Ein Recht auf Auskunft über die nach Absatz 1 erforderlichen Daten haben (…)
2. Ärzte, die die Entnahme von Geweben nach § 3 oder § 4 beabsichtigen oder unter deren Verantwortung Gewebe nach § 3 Abs. 1 Satz 2 entnommen werden sollen und in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung tätig sind, die solche Gewebe entnimmt oder mit einer solchen Einrichtung zum Zwecke der Entnahme solcher Gewebe zusammenarbeitet (…)
Ja, die Auskunft personenbezogener Daten potentieller Gewebespender*innen, ob persönlich, schriftlich oder über das Telefon, ist zulässig und zwingend notwendig, um zu überpfüen, ob medizinische Gründe einer Gewebeentnahme entgegenstehen. Zudem ist das Aufklärungsgespräch fester Bestandteil des Spendeprozesses. Auch hier sind Ärzt*innen zur Auskunft der Kontaktdaten verpflichtet.
Zudem ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung bzgl. der Realisierung von Gewebespenden (Art. 6c DSGVO) auch nach der Datenschutzgrundverordnung zulässig.
Welcher Berufsabschluss ist für die Tätigkeit als Koordinator:in notwendig?
Wie im Transplantationgesetz § 3 fest verankert, „[…] darf die Entnahme von Geweben auch durch andere dafür qualifizierte Personen unter der Verantwortung und nach fachlicher Weisung eines Arztes vorgenommen werden.“ Koordinator*innen durchlaufen ein festes Einarbeitung- und Schulungsprogramm. Auch langjährige Koordinator*innen durchlaufen immer wieder Schulungen, um sich medizinisch fortzubilden. Auch das Angehörigengespräch ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
Grundsätzlich ist kein spezielles Studium oder eine spezielle Ausbildung erforderlich. Jedoch bringen Biolog*innen, Pfleger*innen, Präparator*innen bereits tiefe Grundkenntnisse (z.B. Anatomie) mit und sind durch aus von Vorteil.
Wer außer mir kann entscheiden, ob ich nach meinem Tod Gewebe spende (oder nicht)?
Neben dem Verstorbenen, der zu Lebzeiten eine schriftliche Erklärung (z.B. Organ- und Gewebespendeausweis, Patientenverfügung) abgegeben hat, sind folgende Personen berechtigt, eine Entscheidung für oder gegen eine Gewebespende zu treffen:
- die Person, auf welche die Entscheidung übertragen wurde, z.B. vermerkt auf dem Organ- und Gewebespendeausweis,
- stellvertretend die Angehörigen, die den mündlichen oder mutmaßlichen Willen übermitteln,
- die Angehörigen nach eigenen Wertvorstellungen, wenn der mutmaßliche Wille des Verstorbenen nicht zu ermitteln ist.
Bekomme ich oder meine Angehörigen Geld für meine Spende?
Eine Gewebespende ist ein freiwilliger und altruistischer Akt.
Sie ist ein Geschenk ans Leben – eine selbstlose und unentgeltliche Spende. Dies ist auch im Transplantationsgesetz mit dem Handelsverbot für Organe und Gewebezubereitungen festgehalten.
Medizinisches und Kliniken
Wofür Gewebespende?
Die Verpflanzung von Gewebetransplantaten schenkt schwerkranken Menschen neue Lebensqualität und rettet durch die Transplantation von Herzklappen und Blutgefäßen sogar Leben oder vermeidet Amputationen.
Warum sollen wir mit Ihnen in der Gewebespende kooperieren? Was haben wir davon?
Tausende Patient*innen erleben eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität. Sie können wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, ihrer Arbeit nachgehen und ihre Lebenszeit genießen. Manchmal retten Gewebetransplantationen auch Leben. Wer sich in der Gewebespende engagiert und aktiv Gewebespender*innen meldet, trägt dazu bei, noch mehr Patient*innen zeitnah und sicher mit Gewebe versorgen zu können.
Warum kann man mit einer Hornhautverkrümmung die Hornhaut noch spenden?
Auch Menschen mit einer Krebserkrankung, einer Brille oder im hohen Lebensalter können ihre Augenhornhaut spenden. Auch bei einem Grauen oder Grünen Star, einer Weit- oder Kurzsichtigkeit sowie einer Hornhautverkrümmung ist eine Augenhornhautspende möglich. Entscheidend ist die Unversehrtheit und Klarheit der Hornhaut, nicht ihre Form, ebenso wie der Ausschluss von übertragbaren Krankheiten.
Zudem ist es aufgrund neuer Techniken möglich, nur einzelne Teile einer Hornhaut zu transplantieren.
Bedingt Alter die Gewebespende? Und wenn ja, inwiefern?
Augenhornhaut
Es gibt keine obere Altersbegrenzung für die Spende ophthalmologischer Gewebe (Augenhornhaut). Eine Gewebeentnahme ist auch im hohen Lebensalter möglich. Eine Einschränkung gilt für Spender unter 3 Jahren.
Herzklappen und Blutgefäße
Eine untere Altersgrenze existiert nicht. Eine Gewebespende bei Neugeborenen und Säuglingen ist möglich – der Bedarf sehr hoch. Die obere Altersgrenze für die Spende von Aortenklappen und Blutgefäßen liegt i.d.R. bei 70 Jahren. Pumonalklappen können bis zu einem Alter von 80 Jahren gespendet werden. Ausnahmen davon sind nach individueller Abwägung möglich.
Knochen und Weichteilgewebe
Die Altersgrenzen variieren nach Art und Qualität des Gewebes. Entnahmen sind i.d.R. bis zum 75. Lebensjahr möglich, bei den großen Röhrenknochen auch darüber.
Hautspenden sind bis zu einem Alter von 65 Jahren möglich.
Warum sind neurodegenerative Erkrankungen eine Kontraindikation?
Bei vielen sogenannten zentralnervösen Erkrankung (wie z.B. M. Alzheimer, M. Parkinson, Multipler Sklerose) ist die Ursache nach aktueller medizinischer Forschung nicht abschließend geklärt. Um auszuschließen, dass es eine Übertragung dieser Erkrankungen auf einen Empfänger gibt, sind Patienten mit diesen Erkrankungen deshalb von einer Spende ausgeschlossen.
Kann ich als Transplantatempfänger*in selbst Gewebe spenden?
Empfänger von Augenhornhauttransplantaten und Hirnhaut (Dura Mater) dürfen entsprechend des Transplantationsgesetzes und EU-Richtlinien aufgrund eines Risikos der Krankheitsübertragung durch Prionen (Auslöser der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) kein Gewebe spenden.