Das kann Spende!

Wir haben mit sieben Personen über ihre ganz persönliche Verbindung zur Organ- und Gewebespende gesprochen. Zu Wort kommen ein Transplantationsbeauftragter, ein Organspendekoordinator, ein Arzt für die Gewebespende, eine Gewebespendekoordinatorin, eine Augenhornhautempfängerin, ein Herzklappenempfänger sowie eine Wartelistenpatientin für eine Lunge. Ihre persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse zeigen, was Spende kann, was sie bedeutet und weshalb es wichtig ist, sich mit ihr frühzeitig auseinanderzusetzen. Aus diesen Gesprächen ist das Video „Das kann Spende!“ entstanden. Alle Protagonist:innen waren zudem bei der Aufklärungsveranstaltung Wissen teilen – Leben retten! auf dem Podium.

Henning Bolle ist Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege. Seit über fünf Jahren arbeitet er bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in der Region Nord mit Schwerpunkt in Hannover.

„Ich habe lange an dem einen oder anderen Universitätsklinikum gearbeitet und dort transplantierte Patient:innen in der Intensivpflege und Anästhesie betreut. Genauso habe ich Patient:innen und Angehörige begleitet, die jemanden nach einer infausten Prognose verloren haben und wo sich dann die Frage stellte, ob eine Organ- und Gewebespende gewünscht war. Ich habe beide Seiten, sowohl die Spende als auch die Transplantation, kennenlernen dürfen. Wir Organspendekoordinator:innen haben viel Empathie und wir sehen den Menschen auf jeder Seite und begleiten sie auf ihrem Weg.

Auch wenn der Weg vielleicht an dieser Stelle für den einen oder anderen zu Ende ist, kann er durch eine Organ- oder Gewebespende ein Stück weit weitergehen. Wir schenken Zeit und Lebensqualität.

Ein Teil dieses Teams zu sein, ist das, was diesen Job auf allen Seiten sinnvoll macht. Wir sind immer wieder mit Schicksalen konfrontiert, die auch an uns nicht spurlos vorbeigehen. Deswegen sind wir, denke ich, ein ganz besonderer Schlag Mensch.“

Dr. Florian Wild leitet als Oberarzt und Facharzt für Neurochirurgie die Neurochirurgische Intensivstation in der Medizinischen Hochschule Hannover. Er ist dadurch schon häufig mit dem irreversiblen Hirnfunktionsausfall (kurz IHA, früher als Hirntod bezeichnet) und der Organspende in Berührung gekommen. Seit eineinhalb Jahren ist er zudem Organspendeberater bzw. Transplantationsbeauftragter.

„Gedanken zur Spende sollte man sich so früh wie möglich machen, in jedem Lebensalter und in jeder Lebenssituation.

Es ist nicht so, dass nur alte Menschen sterben oder alte Menschen Gewebe oder Organe spenden können. Es können junge Menschen spenden, es können junge Menschen Gewebe empfangen, Organe spenden, Organe empfangen.Der Tod ist allgegenwärtig und sucht sich die Leute nicht aus, sondern er kommt oder kommt eben nicht. Ich hatte zuletzt Kontakt mit einer Familie kurz vor Feststellung eines IHA, wo man sich innerhalb der Familie sehr uneinig darüber war, ob derjenige eine Organ- und Gewebespende gewollt hätte. Um genau solche Konflikte, wann immer sie kommen, zu vermeiden, sollte man sich dazu innerhalb der Familie so schnell und so früh wie möglich besprechen.“

Dr. Florian Wild leitet als Oberarzt und Facharzt für Neurochirurgie die Neurochirurgische Intensivstation in der Medizinischen Hochschule Hannover.

Carina Lützow ist Biologin und arbeitet seit über zwei Jahren für die DGFG in Hannover als Gewebespendekoordinatorin.

„Gerade zu Anfang hatte meine Familie viele Fragen zu meinem Beruf. Heute ist sie stolz darauf, dass ich diese Tätigkeit ausübe und hat großen Respekt vor dieser Tätigkeit. Aus meinem Arbeitsalltag nehme ich für mich persönlich und das Leben allgemein mit, dass der Tod zum Leben dazugehört.

Vielen ist die Möglichkeit der Gewebespende nicht bekannt, aber oft sehen Angehörige dadurch nochmal etwas Gutes in diesem Verlust, den sie gerade erlebt haben. Sie sind dankbar dafür, dass wir ihnen diese Möglichkeit anbieten und sie darüber informieren.

Insgesamt wünsche ich mir für die Organ- und Gewebespende, dass man sich mit dem Thema zeitnah auseinandersetzt, auch wenn man denkt, es könnte einen jetzt nicht treffen. Es kann die Angehörigen treffen, es kann einen selbst treffen. Deswegen ist es immer sinnvoll und auch wichtig, dass man sich vorher damit auseinandergesetzt hat und seinen Willen entsprechend dokumentiert. Denn für alle Hinterbliebenen ist das in der Situation eine große Erleichterung.“

Jan Kniese verantwortet als Arzt bei der DGFG eine Vielzahl an Gewebespenden und führt viele Aufklärungsgespräche mit Angehörigen.

„Dabei treffe ich auf die verschiedensten Reaktionen. Von tiefer Trauer und Weinen bis hin zu totaler Dankbarkeit.

Wir haben in der Gewebespende die Situation, dass sich die An- und Zugehörigen oft schon verabschiedet und im wahrsten Sinne des Wortes begriffen haben, dass jemand nicht mehr da ist. Für ganz viele fällt die Entscheidung dadurch ein bisschen leichter.

Dennoch würde ich mir für die Gewebespende wünschen, dass noch mehr Menschen mit ihren An- und Zugehörigen über das Thema sprechen und ihre eigene persönliche Entscheidung oder ihre Tendenz dazu gerade in jungen Jahren mitteilen. Sodass diejenigen, die dann im Zweifelsfall gefragt werden, aus vollem Herzen sagen können, das hat er oder sie so gewollt oder eben nicht.“ Auf die Frage hin, was Gewebespende leisten kann, antwortete Jan: „Gewebespende kann ganz viel helfen, sowohl denen, die das Gewebe bekommen, aber auch denjenigen, die zurückbleiben, da sie wissen, dass ein Teil von der Spenderin oder dem Spender weiterlebt.“

Jan Kniese verantwortet als Arzt bei der DGFG eine Vielzahl an Gewebespenden und führt viele Aufklärungsgespräche mit Angehörigen.

Anja Kälberloh arbeitet als Buchhalterin in Hannover. Vor einem Jahr erhielt sie zwei Augenhornhauttransplantate aus der Gewebespende. Grund dafür war eine genetische Augenhornhauterkrankung. Ohne diese Transplantationen wäre sie irgendwann erblindet.

„Ich hatte Schwierigkeiten in meinem Beruf, wo ich viel auf kleine Zahlen blicken muss. Ich musste mich dabei unglaublich anstrengen, weshalb mein Kopf oft schmerzte.“ Heute erfüllt sie der Gedanke an die Gewebespende mit großer Dankbarkeit. „Es hat mich tief berührt. Denn es ist auch ein emotionales Thema für mich.“ Schon früh musste sich Anja in ihrem Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen.

„Mein Bruder stand auf der Warteliste für ein Spenderherz und ist dabei auch verstorben. Als ich dann selbst erfuhr, dass ich auf eine Gewebespende angewiesen bin, stellte ich mir viele Fragen, ob ich zum Beispiel auch mein Leben lang Immunsuppressiva nehmen muss. Doch die Gewebespende hat mein Leben total positiv verändert.

Nach der Transplantation war alles so bunt und klar. Ich kann mich heute noch so an der Welt erfreuen, wofür ich mein Leben lang dankbar sein werde. Gewebespende kann Menschen glücklich machen.“

India Heilmann hat das COPA-Syndrom, eine seltene genetische Erkrankung, die ihre Lunge zunehmend schädigt und gleichzeitig Arthritis in ihren Gelenken auslöst.

„Ich hatte im Februar 2021 einen extremen Schub in der Lunge, sodass ich bei Eurotransplant gelistet wurde und seitdem auf eine passende Spenderlunge warte. Ich bin seitdem auch 24/7 auf Sauerstoff angewiesen. Wenn ich das Haus verlasse, habe ich immer einen mobilen Sauerstofftank dabei. Mit der Zeit gewöhnt man sich ein bisschen an die Situation und man kommt Stück für Stück mehr in den Alltag, der einen von der Listung ablenkt. Aber klar, wenn man immer wieder hört, dass andere ein Organangebot erhalten, dann frage ich mich schon, ‚Warum ich noch nicht?‘. Das ist manchmal sehr frustrierend, denn mit jedem Krankheitsschub steigt die Sorge, dass dann das Organ nicht mehr rechtzeitig kommt.“ Inzwischen setzt sich India sehr stark für die Aufklärungsarbeit ein und hat im Herbst sogar ihr Medizinstudium in Hannover begonnen.

„Ich hoffe, dass ich nach dem Anruf dann endlich ohne Sauerstofftank leben kann und, gerade in der Universität, nur noch einen ganz normalen Rucksack mit mir tragen muss.“

India Heilmann hat das COPA-Syndrom, eine seltene genetische Erkrankung, die ihre Lunge zunehmend schädigt und gleichzeitig Arthritis in ihren Gelenken auslöst.

Julien Ziegler arbeitet ehrenamtlich bei der freiwilligen Feuerwehr und ist mit schwierigen Situationen allein dadurch schon oft in Berührung gekommen. Im Sommer erhielt er eine neue Herzklappe. Grund dafür war eine angeborene Erkrankung seiner Aortenklappe, welche immer schlechter funktionierte.

„Als ich erfuhr, auf ein Transplantat von einem Spender angewiesen zu sein, hat mich das zum Nachdenken gebracht. Ich bin froh und dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die bereit sind, ihre Gewebe zu spenden.

Ich hätte für mich gerne erfahren, wer der Spender oder die Spenderin gewesen ist, um mich auch bei der Familie bedanken und sagen zu können ‚Ihr habt mir es ermöglicht, dass ich weiterleben darf – ohne Einschränkungen.‘“

Mehrere Monate hatte Julien auf sein Transplantat warten müssen. „Als dann der Anruf kam, es konnte ein passendes Transplantat gefunden werden, wusste ich ‚Okay, jetzt wird’s ernst!‘ Natürlich fragt man sich, ob man die OP überleben wird. Doch ich wusste, mir blieb keine andere Wahl. Zum Glück verlief die OP reibungslos. Als ich meine Augen öffnete, sah ich in das zufriedene Gesicht meines Chirurgen und wusste sofort: Jetzt ist alles gut.“