Wie reagieren Patienten darauf, ein Gefäß aus der Gewebespende zu erhalten?
Wir klären die Patienten vor dem Eingriff darüber auf, dass sie sich in einer lebensbedrohlichen Situation befinden, es aber die Möglichkeit gibt, ihnen mithilfe eines Gefäßtransplantats aus der Gewebespende zu helfen. Wir vergleichen die Gewebespende dann oft mit der Organspende, in dem wir sagen, dass Menschen nach ihrem Tod nicht nur bereit waren Organe zu spenden, sondern eben auch Gewebe in Form von Blutgefäßen. In diesem Moment, der potentiell lebensbedrohlich ist, sind sie dann einfach nur dankbar für diese Möglichkeit der Gefäßtransplantation. Richtig bewusst wird ihnen diese besondere Form der Hilfe aus der Gewebespende erst später, wenn sie die Akutsituation überlebt haben.
Können auch Gefäßtransplantate verschiedener Spender transplantiert werden?
Das ist möglich. Schließlich werden diese Gefäßpräparate nach der Aufbereitung kryokonserviert, d. h. tiefgefroren. Die Gewebemerkmale werden dadurch in gewisser Weise eliminiert, was zur Folge hat, dass die Patienten auch keine Medikamente zur Immununterdrückung benötigen. Wir haben früher versucht, die Homografts Blutgruppen identisch oder zumindest -kompatibel zu transplantieren. Das ist aber in aller Regel nicht erforderlich. Die Patienten bekommen im Anschluss an die Transplantation eine Antibiose und eine Behandlung gegen Pilze. Ansonsten führen sie ein völlig normales Leben mit diesen Gefäßen ohne weitere Medikamente.
Wie lange hält so ein Gefäßersatz?
Im Großen und Ganzen ist das nicht bekannt. Wir führen hier am UKR etwa 10 bis 12 solcher Gefäßtransplantationen pro Jahr durch. Wir haben Patienten, die weit mehr als zehn Jahre mit diesen Homografts sehr gut leben. Man weiß aber auch um die sogenannte Gewebedegeneration, also dass sich das Gewebe im Laufe der Zeit erweitert. Dadurch kann es zu sogenannten Aneurysmen kommen, die weitere operative Eingriffe erforderlich machen. Primär geht es aber immer darum, bei den Patienten die akute Infektsituation zu behandeln und ihr Leben zu retten.
Wie hoch ist der Bedarf an Homografts in der septischen Gefäßchirurgie?
Der Bedarf ist sicherlich viel höher als wir aktuell an Gefäßpräparaten zur Verfügung haben. Wir merken den Mangel jedoch viel eher an den Gefäßen, die nicht genau unsere Anforderungen erfüllen. Ein Beispiel: Relativ häufig kann man Oberschenkelarterien (z. B. die Arteria femoralis mit vier bis fünf Millimetern Durchmesser) und -venen entnehmen. Was wir uns häufiger wünschen würden, ist ein Teil der Aorta mit angrenzender Beckenstrombahn (z. B. die Arteria iliaca) in Form einer sogenannten Bifurkation, d. h. in Form des bereits genannten Y. Denn das ist genau die Gefäßkonstruktion, die wir häufig bei Patienten ersetzen müssen. Liegt kein entsprechendes Gefäßtransplantat vor, müssen wir über mehrere Nähte ein solches Gefäß aus mehreren Gewebespenden nachbauen. Damit steigt jedoch das Risiko einer späteren Gefäßerweiterung. Am Ende sind wir dennoch für jedes Homograft dankbar.
Was möchten Sie anderen Menschen bezüglich Gewebespende mit auf den Weg geben?
Etwas, was ich Angehörigen immer mit auf den Weg gebe: [Univ.-Prof. Pfister zeigt ihren Organspendeausweis] Ich selbst bin die beste Botschafterin: „Es gibt keine Verpflichtung, es handelt sich um eine freiwillige Gabe, um (m)ein Geschenk“. Hierbei ist es mir besonders wichtig zu sagen, dass es immer auch möglich ist, die Spende auf bestimmte Gewebe oder Organe zu begrenzen. Das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt für die Aufklärung zur Organ- und Gewebespende.