Das Organspende-Register

Eine Verkomplizierung der Spendeprozesse par excellence

In 2022 erhielt die DGFG als größte bundesweit tätige Gewebespendeeinrichtung knapp 45.000 Spendermeldungen. Diese Meldungen erhält die DGFG zum Großteil aus Kliniken, aber auch von Bestattungsinstituten, Hospizen oder von Notärzten und Angehörigen zu Personen, die in der häuslichen Umgebung versterben. Grund für die stetig zunehmenden Spendermeldungen sind zum einen der Ausbau des Gewebespendeprogrammes in immer mehr Krankenhäusern sowie die kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung. Möglich ist diese Steigerung der Spendezahlen aber auch aufgrund der Tatsache, dass für eine Gewebespende fast jeder Mensch in Frage kommt. Schließlich ist die Gewebespende nicht an den unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall, den Hirntod, gebunden. Eine Gewebespende kann im Falle der Augenhornhaut bis zu 72 Stunden nach Herz-Kreislauf-Stillstand realisiert werden. Knapp 86 Prozent aller Gewebespender:innen im DGFG-Netzwerk waren in 2022 Herz-Kreislauf-Verstorbene. Der Anteil an Gewebespenden bei Organspender:innen ist mit rund zehn Prozent sehr gering.

Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende

Nun sieht die DGFG diese positive Entwicklung in der Gewebespende in Gefahr: Grund dafür ist das am 1. März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. Mit eingeschlossen ist dabei auch die Gewebespende, auch wenn der Name dieser Gesetzesreform dies nicht verlauten mag. Organ- und Gewebespende sind beide im Transplantationsgesetz (TPG) geregelt. Mit § 2a Absatz 4 TPG gewinnt die DGFG jedoch einen großen Stolperstein in ihrer zukünftigen Spendetätigkeit.

Das Organspende-Register

„Das Register schafft Probleme, die wir aktuell gar nicht haben“, so Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG.

„Die in §2a Abs. 4 TPG festgeschriebenen Zugriffsbeschränkungen stellen eine für die Gewebespende nicht notwendige und zugleich gefährliche Verkomplizierung der Prozesse und nötigen Informationsflüsse dar.“ Grund für diese scharfe Kritik: Für jeden einzelnen Fall wäre die DGFG für die Auskunft aus dem Register auf bevollmächtigte Klinikangestellte angewiesen: Eine Auskunft aus dem Register darf laut Gesetzesreform ausschließlich der Person, die den Willen dort dokumentiert hat, sowie an vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bevollmächtige Ärzt:innen oder Transplantationsbeauftragte erteilt werden. Diese zur Auskunft bevollmächtigten Ärzt:innen dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe oder Gewebe der potentiellen Spender:innen beteiligt sein und auch keinen ärztlichen Weisungen hierzu unterstehen. Somit haben Spendeeinrichtungen wie die DGFG keinen Registerzugriff.

Uns allen sind die begrenzten Zeit- und Personalressourcen auf Klinikseite bekannt. Wenn wir in jedem der 45.000 potentiellen Spendenfälle Transplantationsbeauftragte oder andere Ärzt:innen um Einsicht und Auskunft aus dem Register bitten müssen, werden wir die Zeitfenster, die wir in der Gewebespende haben, sehr wahrscheinlich nicht einhalten können.

„Die Konsequenz: Eine Vielzahl an Gewebespenden könnten wir nicht mehr realisieren, was zu erheblichen Einbußen in der zeitnahen Patientenversorgung mit Gewebetransplantaten führt. Diese Trennung, dass Personen aus dem Spenderscreening nicht an der Entnahme und dem weiteren Spendeprozess beteiligt sein dürfen, ist gute und erprobte Praxis in der Organspende. Sie nimmt jede Interessenkollision für den sensiblen Bereich der Hirntoddiagnostik. Dieses Setting haben wir in der Gewebespende jedoch so nicht. Gewebespenden finden immer erst im Anschluss an eine Organspende, vor allem aber bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen statt. Dieser Umstand wurde in der Registerregelung scheinbar nicht bedacht“, so Börgel. „Das Netzwerk der DGFG stemmt die Hälfte der Patientenversorgung mit Gewebetransplantaten. Damit das so bleiben kann, muss dringend gehandelt werden.“

Wie ein Registerabruf bei potentiellen Spender:innen erfolgt, die nicht in der Klinik versterben und dadurch auch nicht im Klinik-System erfasst werden, ist der DGFG zudem unklar. Das Ziel, die Situation in der Organ- und Gewebespende zu verbessern und letztlich dem Mangel an Transplantaten entgegenzuwirken, scheint mit der Gesetzesreform in weite Ferne zu rücken. Die DGFG ist mit ihrer Kritik an der Reform nicht allein. Fachgesellschaften und Patientenverbände sehen ebenfalls einen akuten Nachbesserungsbedarf, um dem absteigenden Trend in der Organspende Einhalt zu gewähren. Letztlich verfolgen alle Institutionen, Politikerinnen und Politiker das gleiche Ziel: die Organ- und Gewebespende zu verbessern mit einer Reform, die mehr Steine aus dem Weg räumt, statt sie hineinzulegen. Diesem Ziel sollte nun mit adäquaten Lösungen und entsprechenden Regelungen auch begegnet werden.