Was denkt ihr: Woran liegt es, dass viele Menschen von dieser Gewebespende oft nichts wissen?
Astrid: Ich denke, das liegt speziell in Deutschland an der grundsätzlichen Haltung und Einstellung zu dem Thema. Hier gibt es keinen offenen Umgang mit der Gewebespende, auch nicht in Kliniken. Man nimmt sie nicht wahr, man spricht kaum darüber. Um Italien hier nur einmal als gegensätzliches Beispiel zu nennen: Wir konnten bei einer italienischen Gewebespendeeinrichtung einmal hospitieren. Dort fahren die Entnahmeteams mit Blaulicht in die Kliniken – wohlgemerkt zu jemandem, der zweifelsfrei verstorben und nicht mehr zu retten ist.
Am Tag des Interviews wird noch die 14. KVG-Spende dazukommen, was beide ahnten, aber erst nach Abschluss des Prozesses in der digitalen Spenderdatenbank der DGFG dokumentieren würden. Inzwischen liegt das Aufbereitungsergebnis aus der Gewebebank vor: Beide Herzklappen sind in einem einwandfreien Zustand und können bald einem jungen Patientin transplantiert werden.
Was spricht aus eurer Sicht hier am Helios Klinikum Krefeld für den Erfolg der
KVG-Spende?
Astrid: Hier stimmen einfach die Rahmenbedingungen. Wir erfahren volle Unterstützung von der Klinik, insbesondere vom Team der Pathologie: An dieser Stelle ein herzlicher Dank an Herrn Dr. Hemmerlein, dem dortigen Leiter, sowie an den Pathologieassistenten Markus Dohmeier. Mit ihm stehen wir bei jeder Spende in Kontakt. Er sorgt dafür, dass alles reibungslos ablaufen kann.
Tim: Die erste KVG-Spende konnten wir hier in der Region NRW im November 2019 realisieren. Heute sind es 13 KVG-Spenden, darunter allein zehn am Helios Klinikum Krefeld.
Bekommt ihr alle Spendermeldungen von den Kliniken, mit denen die DGFG zusammenarbeitet?
Astrid: Nein, nicht nur. Wenn jemand für eine Organspende nicht in Frage kommt, wohl aber für eine Gewebespende geeignet ist und hier auch eine Zustimmung zu vorliegt, nehmen wir auf Wunsch der Kliniken auch diese Meldungen an. In diesen Fällen arbeiten wir dann auch mit den Koordinator*innen der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) zusammen, was super funktioniert. Dafür sind wir den Kollegen der DSO wirklich dankbar. Daneben melden sich aber immer mal wieder völlig neue Kliniken, die uns potentielle Spender melden. Das freut uns sehr.
Was macht den Reiz einer solchen KVG-Spende aus?
Astrid: Mit der KVG-Spende konnte ich mich bei der DGFG weiterentwickeln. Die Augenhornhautspende ist nach all den Jahren doch immer wieder derselbe Ablauf. Da war das KVG-Spendeprogramm mit der umfangreicheren medizinischen Indikationsprüfung und Entnahme etwas Neues und Spannendes – mit dem ich am Ende sogar Leben retten kann. Ich mag es auch sehr im Team zusammenzuarbeiten, denn bei der KVG-Spende muss man mindestens zu zweit, wenn nicht sogar besser zu dritt oder zu viert sein. Eine KVG-Spende ist zwar immer unheimlich anstrengend, oft findet sie spät abends oder sogar nachts statt. Aber es lohnt sich. Das Gefühl hinterher ist einfach unbeschreiblich.
Tim: Ich sehe das genauso. Mit der KVG-Spende hat man eine echte Abwechslung im Alltag. Gerne würde ich mich auch noch in der MSG-Spende, der Spende von muskuloskelettalen Geweben wie Knochen, Sehnen oder Bänder, mit einbringen. Das war auch damals schon die Motivation für meine Bewerbung hier bei der DGFG: eine medizinische, herausfordernde Tätigkeit ausüben zu können, mit der ich anderen helfen kann.