„Immer mehr Patienten kann mit lamellärer Hornhauttransplantation geholfen werden“

Im Interview erzählen Klinikdirektor Prof. Dr. med. Hans Hoerauf und Hornhauttransplanteur Dr. med. Dirk Bahlmann von der Augenklinik der Universitätsmedizin Göttingen von ihren Erfahrungen mit transplantierten Patienten und der Gewebespende.

Welche Bedeutung hat die Hornhauttransplantation in der heutigen Medizin?

Bahlmann: Die Hornhauttransplantation hat in der Augenheilkunde eine sehr große Bedeutung, die in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist und auch in Zukunft steigen wird. Durch die neuen Operationsmethoden wie der DMEK-OP, bei der nur noch eine dünne Schicht der Spenderhornhaut transplantiert wird, kommt es zu weniger Komplikationen. Die Erfolgschancen sind besser. Wir können immer mehr Patienten operieren und deren Leben schlichtweg verbessern.

Wie viele Hornhauttransplantationen führen Sie in der Universitätsmedizin durch?

Bahlmann: Im letzten Jahr haben wir insgesamt 150 Hornhauttransplantationen durchgeführt. Die Zahl wird auch dieses Jahr wieder steigen, da bin ich mir sicher. Die Nachfrage ist einfach hoch.

Dr. med. Dirk Bahlmann und Prof. Dr. med. Hans Hoerauf (v.l.n.r.) sprechen im DGFG-Interview über den Erfolg der lamellären Hornhauttransplantation

150

Augenhornhauttransplantationen in 2019 an der Augenklinik der Universitätsmedizin Göttingen

Bei welchen Indikationen ist die Hornhauttransplantation der einzig mögliche Weg, Patienten zu helfen?

Bahlmann: Die meisten unserer Patienten haben die Fuchs‘sche Endothelzellendystrophie. Es kommen aber auch Patienten nach Kataraktoperationen zu uns, da sich bei Patienten mit vorbelasteter Hornhaut diese als Komplikation in der Folge einer Star-Operation manchmal eintrüben kann. Sie leiden dann unter einer sogenannten pseudophaken bullösen Keratopathie. Auch Notfallpatienten mit z.B. einem perforierenden Ulkus kommen für eine Transplantation zu uns. In diesen akuten Fällen muss sofort gehandelt werden, da die Hornhaut geöffnet ist und Kammerwasser aus dem Auge ausfließt bzw. Keime leicht in das Auge eindringen können. Ursache sind häufig Infektionen oder Autoimmunerkrankungen, wie z.B. Rheuma.

Welche Patienten sind besonders dankbar für ihre Hornhauttransplantation und die Gewebespende?

Hoerauf: Das sind insbesondere Patienten, die mit der oben bereits beschriebenen DMEK-Methode versorgt werden können, weil die Rehabilitation meist erstaunlich schnell verläuft und die erreichbaren Visus-Ergebnisse nach dieser Methode im Vergleich zur perforierenden Hornhauttransplantation sehr gut sind. Das ist gar nicht unbedingt auf einen Einzelfall herunterzubrechen. Etwa fünf Prozent der über 50-Jährigen sind von einer Fuchs‘schen Endothelzellendystrophie betroffen. Für die in diesen Fällen früher als einzige Operationsmethode zur Verfügung stehende perforierende Keratoplastik haben wir aufgrund der nach der Operation nicht selten verursachten irregulären, hohen Hornhautverkrümmung die Indikation zur Operation damals erst sehr viel später gestellt.

Bahlmann: Aufgrund der geringeren Komplikationsrate und besseren Ergebnisse der DMEK hat sich die Risiko-Nutzen-Abwägung verschoben und man operiert manchmal trotz eines noch relativ guten Visus, wenn durch Beschwerden wie starke Blendempfindlichkeit der Leidensdruck und die täglichen Beeinträchtigungen des Patienten nachvollziehbar hoch sind. Wir haben bisher keine Trübungen oder negative Entwicklungen nach DMEKs beobachtet. Die Ergebnisse sprechen für eine lange Haltbarkeit.

Professor Hoerauf ist Direktor der Klinik für Augenheilkunde in der Universitätsmedizin Göttingen

Dr. Bahlmann und seine Kollegen aus der Augenklinik der Unimedizin Göttingen konnten in 2019 rund 150 Patienten mit einer Spenderhornhaut versorgen

Können die Patienten einschätzen, wo ihr Transplantat herkommt?

Bahlmann: Ich sage immer, dass das Transplantat von einem verstorbenen Mitmenschen kommt. Manche machen sich keine, manche mehr Gedanken darüber.

Hoerauf: Ich füge immer hinzu, dass das Gewebe überprüft ist, wie bei einer Lebendspende: Alle Parameter werden gecheckt, es besteht keine Infektionsgefahr. Das beruhigt die Patienten. Ich versuche, die Erklärung mehr in das Medizinische zu bringen, wobei viele Patienten bereits durch den überweisenden Augenarzt informiert sind und sich mit dem Gedanken vertraut gemacht haben.

Bahlmann: Ein männlicher Patient meinte im Scherz, er habe bestimmt die Hornhaut einer Frau, da er jetzt gerne in einen Schuhladen geht und sich die Schuhe dort anschaut. Die meisten machen sich aber wenig Gedanken dazu, wo das Transplantat herkommt bzw. sprechen mit uns nicht darüber. Wir klären sie auf, doch viel mehr möchten die meisten nicht wissen.

Hoerauf: Das Wissen über die Gewebespende und Hornhauttransplantation in der Bevölkerung ist leider gering und wenig verbreitet. Die meisten kennen die dramatischen, größeren OPs, wie z.B. Lebertransplantationen, die auch in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit in der Presse erhalten haben. Viele kennen nicht den Unterschied zwischen der Organ- und Gewebespende. Dabei hängt so viel an der Steigerung und dem Erhalt der Sehfähigkeit, wie z.B. die Arbeitsfähigkeit oder Selbstständigkeit, dass man alleine zu Hause bleiben und sich versorgen kann.

Bahlmann: Die Betroffenen konnten vorher oft nicht mehr Lesen, nicht mehr Autofahren. Nach der Transplantation sind sie wieder unabhängiger, können ihrem Beruf, ihren Hobbies und Familienaktivitäten besser nachgehen.

Was wünschen Sie sich für die Gewebespende in Deutschland?

Bahlmann: Zurzeit ist die Versorgung dank der gestiegenen Spende ziemlich gut. Wir haben Planungssicherheit, da wir Transplantate zu den Terminen bekommen, die wir ohnehin zwei bis drei Monate im Voraus bei uns in der Klinik vergeben. Früher mussten wir sechs bis sieben Monate auf ein Hornhauttransplantat warten. Bei der DGFG kann ich immer jemanden erreichen und man findet immer eine Lösung, das ist viel wert. Sollte ein Patient einen Termin abgesagt haben, müssen die Transplantate nicht verfallen, sondern können dann noch woanders hin vermittelt werden.

Hoerauf: Eine höhere Anzahl an Gewebespendern insgesamt wäre aufgrund des steigenden Bedarfs hilfreich. Zudem wäre es schön, wenn die Angehörigen in der Entscheidungsfindung entlastet werden.

DGFG