„Durch meine Arbeit kann ich den Wunsch der Angehörigen erfüllen.“

Seit Juli arbeitet Stefanie Eberhard als Koordinatorin am neuen DGFG-Standort in München und kümmert sich fortan um die Gewebespende auf dem Campus Großhadern des Münchner LMU Klinikums.

Seit Juli bist du nun am neuen Standort nahe des Campus Großhadern des LMU Klinikums in München. Was kommt gerade am Anfang auf dich als Koordinatorin zu?

Derzeit befinde ich mich noch in der Aufbauphase des neuen Standortes, da die Gewebespende bisher ausschließlich in der Rechtsmedizin etabliert ist. Das bedeutet für mich, dass ich mich zunächst persönlich bei den Direktoren der verschiedenen, für uns Koordinatoren relevanten Abteilungen wie Pathologie, Labor oder auch die Augenklinik und auch die Zusammenarbeit zukünftig mit der Hornhautbank der Bayerischen Gewebebank vorstelle. Sind alle Klinikdirektionen informiert, besuche ich die einzelnen Stationen, damit das Klinikpersonal mich bei meinem nächsten Besuch oder Anruf bei einem Spendenfall auch zuordnen kann. Denn für das medizinische Screening bin ich auf die Auskunft der zuletzt behandelnden Ärzte angewiesen. Das ist für die Zusammenarbeit besonders wichtig. Am Anfang kommt sicherlich noch die eine oder andere Frage seitens der Ärzte und des Pflegepersonals zum Ablauf und den Umfang der Gewebespende auf.

Gewebespendekoordinatorin Stefanie Eberhard

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„Der Bedarf an Hornhauttransplantaten nimmt nach wie vor weiter zu. Als Universitätsklinikum versorgen wir sehr viele Patienten, wollen in Zukunft aber noch mehr Menschen helfen.  […]. Da wir in der Klinik bereits unsere Kapazitäten voll ausschöpfen, haben wir uns nach objektiven Partnern umgeschaut, gerade auch aus dem universitären Bereich, um unserem Ziel gerecht werden zu können. So sind wir auf die DGFG gestoßen.“ Prof. Dr. Wolfgang Mayer

Seit 2019 ist die Hornhautbank an der LMU München Teil des Gewebenetzwerkes der DGFG. Im Interview sprechen Prof. Dr. Wolfgang Mayer (Leiter der Hornhautbank), Prof. Dr. Siegfried Priglinger (Direktor der Augenklinik) und Dr. Dr. Nikolaus Luft der Augenklinik des LMU Klinikums über den Kooperationsstart mit der DGFG in der Gewebespende und Hornhautaufbereitung.

Seit wann arbeitest du bei der DGFG und wie bist du auf uns gestoßen?

Ich bin seit 2011 als Koordinatorin dabei, angefangen für zwei Jahre in Hannover und dann ging es für mich etwas näher an meine Heimat München: Ich habe fast sechs Jahre den Standort im Universitätsklinikum Würzburg betreut. Eigentlich bin ich durch Zufall auf die DGFG gestoßen. Nach meiner Ausbildung hatte ich eine alte Stellenausschreibung der DGFG gesehen, in der die Jahre zuvor mal nach einem Präparator gesucht wurde. Da habe mich einfach initiativ bei der DGFG beworben – mit Erfolg.

Hast du von der Gewebespende vorher schon einmal gehört?

Ja, als ich Praktika im Rahmen meiner Ausbildung zur medizinischen Präparatorin gemacht habe ist mir die Gewebespende in der Rechtsmedizin hier in München vorgestellt worden. Ich fand das wahnsinnig interessant.

Was macht für dich die Arbeit im LMU Klinikum in München und auch bei der DGFG so besonders?

Das LMU Klinikum Großhadern ist ein Standort, an dem ich mich als Gewebespendekoordinatorin und auch als gelernte Präparatorin weiterentwickeln kann. Das macht diesen Standortwechsel innerhalb der DGFG für mich so attraktiv. Zunächst konzentriere ich mich auf die Augenhornhautspende. Langfristig wollen wir hier auch die postmortale Spende von Herzklappen und Blutgefäßen realisieren, wo ich auch mein Können als Präparatorin unter Beweis stellen kann.

Was ist für dich heute noch eine besondere Herausforderung?

Mit Angehörigen zu sprechen. Man weiß nie, in welchem Stadium der Trauer sie sich gerade befinden und wie sie auf meinen Anruf reagieren. Das ist und wird auch immer eine Ungewissheit bleiben, wenn man zum Hörer greift.

Was sind deine Ziele?

Ich will Menschen über die Gewebespende weiter aufklären und sie in ihrer Trauerbewältigung unterstützen. Ich finde das bei meiner Arbeit ganz besonders wichtig.

Was war die schönste Erfahrung bei deiner Arbeit?

Das Feedback von Angehörigen, die mir im Nachhinein gesagt haben, dass Ihnen das Gespräch mit mir zu dem damaligen Zeitpunkt gutgetan hatte und sie sich freuen, dass mit der Spende noch jemandem geholfen werden konnte. Eine Angehörige hatte mich sogar im Büro besucht und sich bei mir bedankt, dass ich den Wunsch ihres verstorbenen Ehemannes umsetzen konnte. Das hat mich noch einmal in meiner Arbeit bestärkt.

Was sagt dein Umfeld zu deiner Tätigkeit?

Meine Familie und Freunde wussten schon lange, dass ich meinen beruflichen Weg in die eher „exotische“ Richtung der Pathologie und Rechtsmedizin anstatt dem pflegerischen Bereich, in dem einige meiner Verwandten und Freunde arbeiten, einschlagen wollte. Sie selbst könnten diese Arbeit nicht machen, unterstützen mich aber in meiner Entscheidung und Arbeit und sind auch offen für dieses Thema.

Was möchtest du anderen mit auf den Weg geben?

Da ich ja nun mal im Bereich der Gewebespende und der Klinik angesiedelt bin, würde ich mir wünschen, dass Menschen sich mit ihrer Familie mehr über die eigene Meinung zur Spende allgemein und zur intensivmedizinischen Behandlung im Notfall unterhalten.

Niemand möchte gerne ans Lebensende denken, jedoch ist es immer von Vorteil, wenn man sich vorher schon Gedanken bezüglich seiner Einstellung zur Spende gemacht hat und seine Familie darüber informiert. Dies hilft letztlich den Angehörigen, eine Entscheidung zu treffen. Wenn niemand über bestimmte Wünsche und Einstellungen Bescheid weiß und dann im Notfall diese Entscheidung aus eigenen Wertvorstellungen treffen muss, fällt das besonders schwer.

Was treibt dich in deiner Arbeit an?

Ich habe einen sehr abwechslungsreichen Arbeitsalltag: Angefangen von der Arbeit im Büro am Computer, um die einzelnen potenziellen Spender nach ihrer Eignung zu prüfen. Ich bin auch auf den Stationen unterwegs, halte Rücksprache mit Pflege- und Ärzte-Personal, spreche mit Angehörigen und führe die Entnahmen der Gewebe selbst durch. Gleichzeitig kann ich mit meiner Arbeit anderen Menschen helfen – auf beiden Seiten, den Angehörigen in ihrer Trauerbewältigung und den Patienten, die dringend ein Transplantat benötigen. Vielen Angehörigen ist es wichtig, dem Willen des Verstorbenen nachzukommen und durch die Spende anderen Patienten zu helfen und Gutes zu tun. Durch meine Arbeit kann ich Ihnen diesen Wunsch erfüllen.

Auch Büroarbeit: Die Arbeit als Gewebespendekoordinatorin

Stefanie Eberhard im Klinikum der LMU München

Was macht der Standort München für dich so lebenswert?

München ist meine Heimat, ich bin hier aufgewachsen und habe meinen Freundeskreis hier. Wieder in München zu sein und mit meiner Familie und Freunden meine Freizeit zu verbringen hat einen hohen Lebenswert für mich. Zudem bietet München auch Abwechslung – normalen Großstadttrubel, aber auch ruhige Zonen im Grünen und am Wasser, wie z.B. der Englische Garten, der Starnberger See oder der Ammersee.

Welcher Beschäftigung gehst du außerhalb der DGFG in deiner Freizeit am liebsten nach?

Ich werde mich jetzt, da ich wieder hier bin, wieder öfter mit meinen Freunden treffen können, um an der Isar entlang zu spazieren oder schwimmen zu gehen. Ich fotografiere auch gerne und probiere mit meiner Mutter neue Koch- und Backrezepte aus. Stricken und Häkeln sind weitere Hobbies, denen ich auch auf dem Arbeits- oder Heimweg in der U-Bahn nachkommen kann.

Mit welchen Worten würdest du einem Kind die Gewebespende beschreiben?

Bei der Gewebespende spendet oder schenkt jemand, der verstorben ist, einen Teil von sich einem anderen kranken Menschen, der damit zum Beispiel wieder sehen oder sich besser bewegen kann.