Widerspruchslösung schenkt Zeit im Spendeprozess

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation zur aktuellen Debatte um die Widerspruchslösung

Hannover, 14.01.2020 – Die Widerspruchslösung kann sich nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) nur im Zusammenhang mit einer passenden Infrastruktur und ausreichend Ressourcen in den Kliniken vor Ort positiv auf die Organ- und Gewebespende auswirken. Die jährlich steigenden Spendezahlen im DGFG-Netzwerk zeigen deutlich, dass Vor-Ort-Präsenz und aktive Unterstützung der Entnahmekliniken im Spenderscreening sowie die Gespräche mit Angehörigen durch geschultes Personal zum Erfolg führen. DGFG-Geschäftsführer Martin Börgel stellt fest:

„Wird die Gewebespende von der Klinik gelebt und als Selbstverständlichkeit angesehen, läuft der Prozess vorbildlich. Eine Gesetzesnovellierung könnte die Gewebespende in den Kliniken noch einmal verbindlich auf den Plan rufen, was wir aufgrund von hohen Engpässen in der Versorgung mit Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen sehr begrüßen würden.“

Weiterhin gilt es, die enormen Wissenslücken insbesondere zur Gewebespende in Deutschland zu schließen. Hierfür setzt sich die DGFG seit vielen Jahren verstärkt ein. Denn aus der Perspektive der Gewebespende fehlt es weniger an genereller Zustimmung in der Bevölkerung, sondern viel mehr an Gesprächen innerhalb der Familien über genau dieses Thema. Die Zustimmungsquote zur Gewebespende liegt seit Jahren konstant bei über 30 Prozent; in 2018 zuletzt bei 38,2 Prozent.

In der Aufklärung zur Organ- und Gewebespende nehmen Ärzte und Pflegekräfte aufgrund ihrer Nähe zum Patienten eine zentrale Rolle ein. Der finanzielle und wirtschaftliche Druck in den Kliniken, mit Einsparungen an personellen Ressourcen zur Folge, treibt Ärzte und Pflegekräfte an ihre Grenzen. Für Aufklärung bleibt keine Zeit. Die Unwissenheit über die Spende wiederum führt dazu, dass Angehörige für die Entscheidungsfindung viel Zeit benötigen. Zugleich ist das Zeitfenster für eine Spende begrenzt. So können Herzklappen und Blutgefäße nur binnen 36 Stunden ab Todeseintritt entnommen werden. Nach Ansicht der DGFG könnte die Widerspruchslösung hier Zeit schenken. Ein zusätzliches zentrales Register, in dem die Einstellung zur Organ- und Gewebespende der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland dokumentiert wird, kann Angehörige erheblich entlasten. Ein dokumentierter Wille schafft Klarheit und verkürzt den Prozess der finalen Entscheidungsfindung.

„Im Sinne einer informierten Einwilligung bleibt bei der DGFG das ergebnisoffene Angehörigengespräch auch in Zukunft zentrales Element im Ablauf der Gewebespende. Eine vorab dokumentierte Entscheidung kann jedoch zu einer wesentlich kürzeren Bedenkzeit bei den Angehörigen führen. Genau diese Zeit benötigen wir“, betont Börgel.

Die DGFG ist eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft, die seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland fördert. Auf der Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Im Netzwerk der DGFG kooperieren zahlreiche Universitätskliniken, kommunale und konfessionelle Krankenhäuser, aber auch große Klinikverbünde. Sie alle unterstützen die Gewebespende durch die Meldung möglicher Gewebespender und nehmen so ihre gesellschaftliche Verantwortung für die Versorgung der betroffenen Patienten wahr. Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.

Kristin Becke, M.A.

Kristin Becke, M.A.

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Presseinformation

Hier die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) zur aktuellen Debatte zur Widerspruchslösung als PDF herunterladen.

TV Tipp

Am Donnerstag, 16.01.2020, entscheidet der Deutsche Bundestag über die Einführung einer Widerspruchslösung in der Organ- und Gewebespende in Deutschland. Die Sitzung kann auf www.bundestag.de angesehen werden.