KVG-Spende: Ein Spagat zwischen Organisation und Aufklärung

Dipl.-Biol. Christine Riege erzählt im Interview von ihrer Arbeit am DGFG-Standort im Universitätsklinikum Leipzig und den Besonderheiten, die ihre Tätigkeit mit sich bringt.

Das Universitätsklinikum Leipzig ist kein gewöhnlicher Standort. Was ist hier das Besondere?

Das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) ist seit Gründung der DGFG Gesellschafter unserer gemeinnützigen Organisation. Eine weitere Besonderheit hier im UKL ist das Agieren im Mobilen Team im Falle einer Spende kardiovaskulärer Gewebe (KVG), d.h. der Herzklappen und Blutgefäße bei Verstorbenen nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Wir sind derzeit dabei, dieses Spendeprogramm in der gesamten Region Ost zu etablieren.

Was ist die Aufgabe eines Mobilen Teams?

Bei einer KVG-Spende kümmert sich das Mobile Team gemeinsam mit einem Chirurgen des UKL um die Gewebeentnahme. Im Juli 2018 konnten wir eine solche Spende zum ersten Mal hier am UKL durchführen. Da ich zu der Zeit selbst im Urlaub war, hat Dr. Anja Brenn die Organisation er Spende übernommen, die Angehörigen aufgeklärt und bei der Entnahme assistiert. I.d.R. kümmere ich mich bei der KVG-Spende um die komplette Vorarbeit: das Spenderscreening und erste Angehörigengespräch. Die Zustimmung holt unser ärztlicher Regionalleiter Dr. Polster ein. Im Mobilen Team sind Dr. Anja Brenn oder ich als Gewebespendekoordinatorinnen aus Leipzig dabei. Matthias Polzin, Gewebespendekoordinator vom DGFG-Standort am Universitätsklinikum Dresden, ist fester Bestandteil des Mobilen Teams.

Für die Entnahme kardiovaskulärer Gewebe steht ein Zeitfenster von 36 Stunden ab Todeseintritt zur Verfügung. Was sind dabei eure größten Herausforderungen?

Für die Logistik müssen einige Fragen zeitnah geklärt werden: wer von den Chirurgen entnimmt zusammen mit uns in welchen Räumen im Uniklinikum und zu welcher Zeit das Gewebe und wer transportiert die Gewebe anschließend in welche Gewebebank im DGFG-Netzwerk. Zum anderen muss eine Zustimmung zur Gewebespende vorliegen. Dafür kontaktieren wir die Angehörigen. Ihnen bleibt wenig Zeit, eine Entscheidung zu treffen.

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Auf dem richtigen Weg, doch noch lange nicht am Ziel: Mehr über das Spendeprogramm bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen und den Auftakt im Universitätsklinikum Leipzig erfahren!

Wo seid ihr überall als Mobiles Team im Einsatz?

Unser Ziel ist es, in dieser Konstellation die gesamte Region Ost mit unseren Standorten in Leipzig, Dresden, Halle und Chemnitz abzudecken. In dem Ausbau dieses Spendeprogrammes sind wir sehr stark auf die Mitarbeit der Kliniken angewiesen. Nur wenn uns ein Chirurg und ein geeigneter Raum für die Entnahme zur Verfügung gestellt werden, können wir diese Spende überhaupt durchführen. Wir würden uns wünschen, wenn die Gewebespende und insbesondere die KVG-Spende zu einer Selbstverständlichkeit für die Kliniken wird und die Angehörigen um den Willen des Verstorbenen Bescheid wissen. Dafür bedarf es sehr viel Aufklärungsarbeit.

Was macht deine Arbeit bei der DGFG so besonders?

Ich finde es gut, selbstständig arbeiten und dadurch seinen ganz eigenen Antrieb entwickeln zu können. Man schraubt dadurch automatisch auch seinen Anspruch an sich und seine Arbeit höher.

Wir haben über die Herausforderungen der KVG-Spende gesprochen. Doch was fordert dich persönlich am meisten?

Eine schöne Ebene für die Kommunikation mit dem Klinikpersonal und den Angehörigen zu schaffen.

Die Herausforderung besteht darin, sich in die verschiedenen Protagonisten hineinzuversetzen. Manchmal muss man innerhalb weniger Minuten von einem Arzt- zu einem Angehörigengespräch umswitchen. Dann sind sehr viel Einfühlungsvermögen und Sensibilität gefragt.

Was war bisher die schönste Erfahrung bei deiner Arbeit?

Ich freue mich immer, Feedback von den Angehörigen zu bekommen. So hatte sich einmal eine Angehörige bei mir dafür bedankt, dass ich ihr genügend Zeit für die Entscheidung gegeben hatte. Das hatte ihr sehr in dieser Situation geholfen. Auch in der Firma. Auf der anderen Seite freue ich mich, wenn man etwas im Klinikum selbst vorantreiben und bewirken kann und seine Arbeit, z. B. in Abstimmungs- und Freigabeprozessen, Früchte trägt.

Wie bist du damals auf die DGFG gestoßen?

Ganz klassisch über eine Ausschreibung auf einer Online-Jobbörse. Nach meinem Studium hatte ich kein richtiges Ziel. Ich hatte in Jena Biologie studiert und war dann längere Zeit im Ausland. Danach hatte ich als Trainerin gearbeitet und mich währenddessen bei der DGFG beworben. 2010 stieg ich dann bei der DGFG hier in Leipzig ein.

Dieses Arbeitsklima, diese Freiheit, die man hier bei der DGFG hat, das findet man einfach nicht so schnell wieder.

Was treibt dich in deiner Arbeit am meisten kann?

Meine „Firma“ und die Gewebespende hier im UKL am Laufenden zu halten. Und, dass man mit seiner Arbeit anderen Menschen am Ende helfen kann, das erfüllt mich auch mit Stolz.

Wo kommst du gebürtig her und wie zog es dich dann nach Leipzig?

Ich komme gebürtig aus Weimar und wollte eigentlich immer nach Freiburg/Breisgau aufgrund der Natur und der Nähe zum Süden. Aber meine zweite Wahl war immer Leipzig. Die Leute sind sehr nett und offen. Ich habe in kürzester Zeit sehr viele Freunde gefunden. Es gibt Seen, viel Kultur und viel zu erleben.

Welcher Beschäftigung gehst du in deiner Freizeit am liebsten nach?

Ich treibe sehr viel Sport, dabei vor allem Pilates. Ich gehe zudem regelmäßig Joggen und einmal im Jahr mit einer Freundin surfen. Darüber hinaus bin ich viel mit meinen beiden Kindern und meinem Hund unterwegs.

Mit welchen Worten würdest du einem Kind die die Gewebespende beschreiben?

Menschen, die z. B. an den Augen erkrankt sind, brauchen ein neues Fenster vor den Augen. Wenn andere Menschen versterben und noch kranken Menschen helfen wollen, dann kann man deren Gewebe anderen Menschen wieder einbauen. Kinder gehen mit dem Tod offener um. Daran können wir Erwachsene uns ein Beispiel nehmen. Denn den Angehörigen würde die Entscheidung sehr viel leichter fallen, wenn der Wille des Verstorbenen bekannt ist.