Das war
Hornhaut InSight –
von der Spende zum Therapieerfolg

ein Nachbericht

Braunschweig, 26.03.2022 – Der neue Chefarzt der Augenklinik am Städtischen Klinikum Braunschweig Dr. med. Erik Chankiewitz begrüßte am Samstag gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) rund 50 Augenärzt*innen zur Fortbildung „Hornhaut InSight – von der Spende zum Therapieerfolg“ im BZV Medienhaus in Braunschweig. Über 150 Teilnehmende konnten die Fortbildung zusätzlich online mitverfolgen. Das Thema: Innovative OP-Methoden und aktuelle Forschungsergebnisse zur Hornhauttransplantation – eine für viele Patient*innen oftmals letzte und einzige Therapieoption, um die Klarheit der Hornhaut und damit die Sehkraft zu erhalten. Neben Transplantationsverfahren mit Spenderhornhäuten diskutierten die Expert*innen auch zu dem Einsatz von Zelltherapien und der Weiterentwicklung von Gewebetransplantaten. Denn auch die Hornhautmedizin ist stets mit einem Mangel an verfügbarem Gewebe konfrontiert, weshalb Forscher an der Weiterentwicklung der Transplantate mit Hochdruck arbeiten.

Der Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Braunschweig Dr. Andreas Goepfert begrüßte die Gäste via Online-Zuschaltung – einer Form der aktiven Teilnahme, die mehreren Referent*innen nutzten, um trotz Terminüberschneidungen bei der Fortbildung dabei sein zu können. Als wissenschaftlicher Leiter moderierte Dr. Erik Chankiewitz die Veranstaltung vom Podium aus und stellte parallel aus dem Online-Publikum eingegangene Fragen an die Referent*innen.

Augenarzt Doktor Harald Gäckle des Augenlaserzentrums aus Neu-Ulm startete mit einem Vortrag zur aktuellen Situation in der Augenmedizin in Kenia. Während Patient*innen in Deutschland flächendeckend eine augenmedizinische Versorgung auf höchstem Niveau erfahren, wird eine gute, zeitnahe Behandlung in Kenia nur wenigen Patient*innen zuteil. In Kenias Hauptstadt Nairobi gibt es inzwischen einige Augenkliniken, wie das von Dr. Gäckle unterstützte Eagle Eye Laser Center, mit gut ausgebildetem Personal und einem breiten Behandlungsspektrum. Eine augenmedizinische Versorgung auf dem Land ist jedoch kaum bis gar nicht möglich. Häufige Krankheitsbilder der Augenhornhaut sind Hornhautnarben, oft verursacht durch Dornverletzungen, oder der Keratokonus. Das Mittel der Wahl: eine Crosslinking-Behandlung, die die Hornhaut mithilfe eines Vitamins und ultraviolettem Licht vernetzt und stärkt und somit weiteren Verformungen und somit einer Hornhauttransplantation vorbeugt. Denn letztere ist aufgrund des akuten Mangels an Spendergewebe sowie oft auch fehlender medizinischer Expertise und Ausstattung nur sehr selten eine mögliche Therapieoption.

Im Anschluss stellte Professor Arne Viestenz, Leiter der Augenklinik am Universitätsklinikum Halle, nach Gedenken an den verstorbenen Hornhautspezialisten Prof. Gottfried O. Naumann komplexe Fälle und Behandlungswege schwerer Traumata am Auge vor. Hierbei appellierte Viestenz an die Teilnehmenden insbesondere bei Kindern sehr schnell zu handeln und zu operieren. Denn auch die Wundheilung im Auge verläuft bei Kindern im Vergleich zur Wundheilung bei Erwachsenen extrem schnell. Die Folge: Endothelzellen könnten sich im Auge dort ansiedeln, wo sie mehr schaden als nutzen und mitunter die Sehfähigkeit akut gefährden.

Professor Björn Bachmann von der Universitätsaugenklinik Köln ging auf besondere Herausforderungen in der Behandlung des Keratokonus ein. Eine häufige Ursache für die Narbenbildung auf der Hornhaut im Falle eines Keratokonus ist das Tragen schlecht angepasster Kontaktlinsen, die auf der Hornhaut reiben und dadurch Narben auslösen können.

Anschließend stellte Professor Friedrich E. Kruse, Leiter der Augenklinik am Universitätsklinikum Erlangen, das Descemet Stripping Only vor, das in Einzelfällen eine Hornhauttransplantation verhindern kann. Bei diesem Verfahren wird die Descemetmembran im Patientenauge behutsam entfernt und abgewartet, bis die Endothelzellen vom Rand des Auges wieder ins Zentrum einwandern und ihre Arbeit (Pumpleistung) auch dort wieder aufnehmen. Hilfreich haben sich hier auch spezielle Augentropfen erwiesen, die die Narbenbildung hemmen. Zudem verhindern sie, dass die Hornhaut aufgrund von Flüssigkeitsansammlung aufquillt, was ebenfalls zu trübem, unscharfem Sehen führen kann. Dennoch ist die DMEK nach wie vor der Goldstandard in der Behandlung von Hornhautdystrophien. Ihr großer Vorteil: Die Gefahr einer Abstoßungsreaktion ist verschwindend gering. Während das Risiko für ein Transplantatversagen bei der perforierenden Keratoplastik innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Operation bei 30 Prozent liegt, lag nach einer DMEK dieses Risiko bei 1 zu 500 von knapp 7.000 durchgeführten DMEK-OPs in der Universitätsaugenklinik Erlangen.

9.000 Augenhornhauttransplantationen jährlich

Die Entwicklungen in der Hornhautmedizin sind rasant, so auch im Feld der Hornhauttransplantation, die Patient*innen mit Erkrankungen, Verletzungen oder Entzündungen der Augenhornhaut als Ultima Ratio vor einer Erblindung bewahrt. Pro Jahr werden nach Angaben der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft rund 9.000 Hornhauttransplantationen[1] in Deutschland durchgeführt. Seit rund 15 Jahren transplantieren Augenärzt*innen oft nur noch eine dünne Schicht der Augenhornhaut. Diese sogenannten lamellären Verfahren machen inzwischen mehr als zwei Drittel der Hornhauttransplantationen aus. Ihr Vorteil: Patient*innen kann immer früher zu besserem, klarerem Sehen verholfen werden, was ihren Alltag erheblich erleichtert. Autofahren, einkaufen, das Lesen von Preisschildern oder der Tageszeitung werden wieder möglich.

[1] Mehr als 9.000 Augenhornhauttransplantationen pro Jahr in Deutschland (Juni 2021). Zugriff unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/124448/Mehr-als-9-000-Augenhornhauttransplantationen-pro-Jahr-in-Deutschland

In seinem Vortrag „DMEK – kein Auge zu schwer?“ stellte Doktor Erik Chankiewitz die Herausforderungen für eine erfolgreiche DMEK-OP dar, die bereits beim Spendergewebe beginnen. Denn hier sollte das Spenderalter zwischen 65 und 80 Jahren liegen, damit das Gewebe nicht zu straff ist und gut im Auge platziert werden kann. Um das Gewebe und die empfindlichen, für klare Sicht sorgenden Pumpzellen der Augenhornhaut (Endothelzellen) nicht unnötig zu stressen, rät er den Teilnehmenden von einem Nachjustieren eher ab. Zum Teil können durch die flache Liegeposition der Patien*innen Erfolge in der korrekten Anhaftung des Transplantats an die übrige Hornhaut erzielt werden.

Transplantationstechnik: Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty

Bei einer DMEK-Operation wird das erkrankte Hornhautendothel, die Descemetmembran, entfernt und durch eine Spenderlamelle (eine dünne Schicht der Spenderhornhaut) ersetzt. Diese Lamelle wird zusammengerollt in das Auge injiziert und anschließend vorsichtig durch den Operateur bzw. die Operateurin entfaltet. Das Anhaften der Lamelle erfolgt über die Zugabe einer Luftblase und den dadurch erzeugten, leichten Druck. Um dieses Anhaften zu verbessern, müssen die Patient*innen nach der Operation für wenige Tage flach liegen. Für eine gute Nachsorge plädiert Dr. Chankiewitz dafür, die DMEK nach wie vor in einer Klinik und nicht ambulant durchzuführen.

Zudem wies Dr. Chankiewitz auf den Vorteil bereits in der Gewebebank vorpräparierter Hornhautlamellen für DMEK-OPs hin, da die Präparation dieses hauchdünnen Transplantates sehr viel Erfahrung und Sicherheit erfordert. Schließlich ist das Risiko einer Fehlpräparation auch eine ethische Frage, die sich jeder Augenarzt bzw. jede Augenärztin stellen muss. Nach wie vor herrscht ein Mangel an Gewebe, weshalb ein Verwurf einer Spenderlamelle nur sehr schwer ethisch zu vertreten ist.

Lamellare Transplantation mit LaMEK & LaMEK preloaded

Vor diesem Hintergrund hat sich die DGFG als Netzwerk aus zwölf Gewebebanken, darunter zehn Hornhautbanken, vor mehr als sechs Jahren auf die Aufbereitung und Abgabe bereits vorpräparierter Hornhautlamellen spezialisiert. Seit Dezember 2015 können Augenkliniken die sogenannte LaMEK bei der DGFG bestellen. LaMEK steht dabei für Lamelle für DMEK-Operationen. Bei der LaMEK, die im sogenannten Viewing-Chamber an die Transplantationszentren im Nährmedium verschickt wird, wird die Hornhautlamelle in einer Gewebebank zuvor um den zentralen Punkt in der Hornhautmitte herum abpräpariert. Ärzt*innen müssen vor der DMEK somit die Lamelle nur noch von dem zentralen Punkt am Hornhautstroma lösen. Ganz neu und seit Ende April 2021 bei der DGFG bestellbar ist die LaMEK preloaded: Hier hat die DGFG die Genehmigung des Paul-Ehrlich-Instituts erhalten, die bereits vorpräparierte Hornhautlamelle (LaMEK) vollständig vom Stroma abgelöst und fertig eingerollt innerhalb einer Transplantationskartusche abzugeben – in dem sogenannten DMEK Rapid System, das die Augenklinik Sulzbach zusammen mit der Geuder AG und DGFG entwickelte. Über dieses System kann die Spenderlamelle ohne weitere Manipulation direkt in das Patientenauge injiziert werden.

Auch Doktor Annekatrin Rickmann von der Augenklinik am Knappschaftsklinikum Saar in Sulzbach stellte die LaMEK und LaMEK preloaded und deren Vorteile vor. Sie unterstrich, dass die vorpräparierten Hornhautlamellen nicht zwingend zu besseren klinischen Ergebnissen nach einer DMEK-Operation führen. Doch sollte allein das Risiko einer Fehlpräparation gesenkt werden, sei das am Ende Grund genug dafür, in der klinischen Praxis verstärkt auf vorpräparierte Lamellen wie die LaMEK zurückzugreifen. Schließlich stehen keine Spenderhornhäute für Fehlpräparationen im Überfluss zur Verfügung.

Doktor Martin Dirisamer von der Augenklinik des LMU-Klinikums München wurde live am Samstag für seinen Vortrag zur Bowmanlayertransplantation dazugeschaltet: Diese OP-Methode kann bei Keratokonuspatient*innen zum Einsatz kommen. Die Bowman-Membran ist die stärkste Schicht der Hornhaut. Sie wird aus der Spenderhornhaut in einer Gewebebank herauspräpariert und nahtlos in das Patientenauge im Hornhautstroma eingesetzt. Diese Transplantationsmethode soll ebenfalls eine perforierende Keratoplastik verhindern oder zumindest hinauszögern, da die Bowman-Membran der Hornhaut wieder ausreichend Festigkeit verleiht, was eine weitere Auswölbung verhindert.

Doktor Nicola Hofmann, die den Bereich Forschung und Entwicklung bei der DGFG leitet, gab in ihrem Vortrag „Der Weg zu einem guten Transplantat“ Einblick in die Prozesse bei der DGFG, die hinter jedem einzelnen Transplantat am Ende stehen – angefangen von der Gewebespende, über die Prozessierung bis hin zur Zuteilung der Transplantate je nach Empfänger*in und Operationsmethode. All diese Prozesse werden von einem zentralen Qualitätsmanagement begleitet. Alle Mitarbeitenden werden in den jeweiligen Bereichen regelmäßig geschult. Somit wirkt in der Summe eine Vielzahl an Faktoren unabhängig von dem Gewebe als solches auf das Ergebnis eines guten Transplantats.

Einen Exkurs zur klinischen Anwendung bot Professor Stephan Reichl des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie von der Technischen Universität Braunschweig. Er stellte in seinem Vortrag eine einzigartige Forschungsarbeit zu einer künstlichen Hornhaut vor. Die Idee: durch Tissue-Engineering mit einer in-vitro Rekonstruktion transplantierbarem Gewebe möglichst nahe zu kommen. Dabei wurden aus Spendergewebe einzelne Zellen isoliert und später auf künstlich hergestelltes Gewebe (Sheets) neu angesiedelt. Um der Dicke einer menschlichen Hornhaut möglichst nah zu kommen, wurden drei dieser Sheets übereinandergelegt. Vielversprechend sei hier eine Langzeitkultivierung mit Vitamin C. Um am Ende dieses Gewebekonstrukt möglichst klar zu haben, hat sich ein serumfreies Nährmedium bewährt.

Anschließend gab Professor Gert Bange von dem SYNMIKRO Research Center der Universität Marburg Einblick in die Welt des Biofilms, der aufgrund seiner hohen Antibiotikaresistenz zur echten Gefahr in der Behandlung schwerer Hornhautinfektionen werden kann. Hier wird nach wie vor daran geforscht, wie es gelingen kann, die Barrieren des Biofilms zu durchbrechen, um die Bakterien letztlich zu destabilisieren und erfolgreich zu bekämpfen. Ein Biofilm ist eine Art Zusammenschluss vieler Bakterien, der bis zu 500-mal resistenter gegenüber Antibiotika sein kann als das Bakterium allein.

Ebenfalls live dazu geschaltet für seinen Vortrag zum Thema der Limbusstammzelltransplantation war Doktor Virender Sangwan des Dr. Shroff’s Charity Eye Hospital aus Dheli, Indien. Über die sogenannte SLET Methode konnten bereits sehr gute Erfolge in der Behandlung limbaler Stammzellinsuffizienz erzielt werden: Verletzungen führen dazu, dass die Limbusstammzellen vom äußeren Hornhautrand ihrer Funktion, Epithel für die oberste Hornhautschicht zu bilden, nicht mehr nachkommen können. Die Folge: Die Hornhaut trübt ein. Augenärzt*innen entfernen dann die erkrankte Epithelschicht und setzen am Rand neue Limbusstammzellen ein, die die Regeneration der Epithelzellen wieder aufnehmen können. Die Limbusstammzellen stammen dabei vom gesunden, zweiten Auge des Patienten, werden in einer Gewebebank vermehrt und schließlich in das erkrankte Auge übertragen. Glückt diese Zelltransplantation ist keine Hornhauttransplantation mehr nötig.