AmnioClip-plus: eine Therapie ohne Trauma

Die DGFG vermittelt ab sofort einen mit Amnion bespannten Ring, anwendbar wie eine Kontaktlinse, zur Behandlung schwerer Verletzungen oder Erkrankungen des Auges.

Die DGFG startet mit einer neuen Gewebezubereitung in das Jahr 2019: Der AmnioClip-plus (AC+) – eine Amnionmembran eingespannt in ein Ringsystem und somit anwendbar wie eine Kontaktlinse – ist nun neben der vorpräparierten Hornhautlamelle (LaMEK) die zweite Innovation, die die DGFG speziell für den Einsatz in der Augenheilkunde Kliniken und Praxen in ganz Deutschland anbietet. Was es mit dem AC+ auf sich hat und wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, das verrät uns Dr. rer. nat. Nicola Hofmann, wissenschaftliche Leitung und Qualitätsmanagement, der DGFG aus Hannover.

Was genau ist der AmnioClip-plus?

Der AmnioClip-plus (AC+) vereint die wertvollen Eigenschaften der Amnionmembran (AM) mit einer einfachen Anwendungsweise, indem das Gewebe eingespannt in ein Ringsystem nahtfrei und so komfortabel und flexibel wie eine Kontaktlinse vom Patienten getragen werden kann. Er stellt eine Alternative zur herkömmlichen Amnionmembrantransplantation (AMT) in der Augenheilkunde dar. Der AC+ kann fortan zur Behandlung einer erkrankten Augenoberfläche durch Entzündungen, Verletzungen oder Verbrennungen, zum Erhalt des Auges oder zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Sehkraft eingesetzt werden. Auch die Therapie des Trockenen Auges ist mit dem AC+ möglich.

Was ist das Besondere an dem Gewebe und welche Probleme löst der Clip?

Die AM verfügt über hervorragende, wundheilungsfördernde, antientzündliche Eigenschaften, verhindert Narbenbildung und ist – das ist das Besondere – immunprivilegiert. Mutternatur hat ein Gewebe entwickelt, das zwei unterschiedliche Immunsysteme (Mutter und Kind) erkennt und toleriert, was für alle Anwendungen am Patienten mit fremdem Gewebe von großem Vorteil ist. Die AMT ist eine seit Jahrzehnten etablierte Methode zur Behandlung von Oberflächendefekten des Auges. Bisher wurde im Rahmen der AMT die Membran auf dem Auge des Patienten aufgenäht, was bei der ohnehin bestehenden Verletzung oder Entzündung eine zusätzliche Störung im Heilungsprozess bedeutet. Der AC+ ist die Lösung für genau dieses Problem. Bei der Anwendung des Clips ist im Unterschied zur AMT eine oft erforderliche Vollnarkose beim Patienten nicht mehr notwendig. Der Ring kann unter Tropfanästhesie und damit auch ambulant angewendet werden. Der große Vorteil gegenüber Salben oder Tropfen ist zudem, dass der Ring nicht durch den Lidschlag weggewischt werden kann und er gleichzeitig auch als Schutzschild der Oberfläche des Auges fungiert. Der AC+ kann im Unterschied zur AMT beliebig oft bei einem Patienten eingesetzt werden. Der Clip eröffnet womöglich für Augenärzte neue Behandlungsfelder und kann Patienten noch einfacher bei ihren Erkrankungen helfen. Tatsächlich hatte mir bereits einer der Anwender mitgeteilt, er hätte gerne öfter eine AMT bei seinen Patienten durchgeführt, habe jedoch aufgrund der nahtassoziierten Nachteile davon abgesehen. Doch über das Ringsystem kann er jetzt vielen seiner Patienten dieses großartige Gewebe zur Therapie anbieten.

Wer hatte damals die zündende Idee?

Prof. Dr. med. Katrin Engelmann, Leiterin der Augenklinik im Klinikum Chemnitz, und das IPF Fraunhofer Institut in Dresden sind die Erfinder dieses besonderen Clips. Vor mehr als zehn Jahren haben sie sich zusammengetan. Es entwickelte sich recht schnell die Idee eines Ringsystems, zwischen dem die AM befestigt wird und dadurch ähnlich einer Kontaktlinse auf das Auge aufgelegt werden kann. Die DGFG als Teil dieses interdisziplinären Forschungsteams hat sich um die Amnionspende sowie die Herstellung des AC+ im Reinraum nach Präparation der Plazenta gekümmert. Die ersten Unterlagen zu dem Projekt stammen von 2006, wo die erste Entwicklung auch zum Patent angemeldet wurde. Es folgten Verbesserungsschritte und die Firma Fortech GmbH wurde hinzugezogen, die Weiterentwicklung zu unterstützen und voranzutreiben. Mit einer neuen Version erfolgten dann auch die ersten Anwendungen bei Patienten im Rahmen sogenannter Heilversuche durch Prof. Engelmann. Dabei stellte sich heraus, dass die Wirkung der AM genauso bestehen bleibt wie bei einer klassischen AMT. Alle Patienten haben den Ring sehr gut vertragen und wünschten sich z.T. sogar eine wiederholte Anwendung¹.

Wie kam es dann zu der Zulassung?

Mit den Anwendungen wurde schnell klar, dass der AC+ wie ein geprüftes Arzneimittel reguliert wird, das wie andere Gewebetransplantate auch unter Reinraumbedingungen und streng überwacht hergestellt werden muss – Expertisen waren gefragt, über die die DGFG seit vielen Jahren verfügt. Damit begann ein langer Genehmigungs- und Zulassungsvorgang, der in Deutschland besonders umfangreich ist. Darin involviert waren das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Bundesoberbehörde, das für die Genehmigung zuständig ist, sowie die lokalen Behörden mit Fokus auf der Spende und den technischen und räumlichen Gegebenheiten in den Gewebebanken. Durch die Regularien nach Arzneimittelgesetz mussten weitere klinische Daten bereitgestellt werden. Aus diesem Grund wurde ein zusätzlicher Heilversuch unter der Leitung von Prof. Engelmann in Chemnitz durchgeführt. Daraufhin konnten wir im März 2018 den Antrag beim PEI einreichen. Am 7. Januar 2019 kam dann der Genehmigungsbescheid. Die DGFG darf nun den AmnioClip-plus an Zentren und Augenarztpraxen in ganz Deutschland abgeben.

Was müssen die Anwender über den Clip noch wissen?

Bereits seit vielen Jahren werden in der Kornea- und Gewebebank Schwerin Plazentaspenden unter Reinraumbedingungen präpariert. Die Amniontransplantate sind vom PEI genehmigte Arzneimittel. Nach der fertigen Präparation können diese Transplantate in das Ringsystem im Reinraum eingespannt werden. Wie bei der Amnionpräparation werden auch bei diesem Herstellungsverfahren Proben genommen. Erst, wenn wir wissen, dass alles keimfrei ist, können die Transplantate und der Clip zur Anwendung beim Patienten abgegeben werden. Die Sicherheit des Patienten steht immer an oberster Stelle. Dieser Freigabeprozess dauert nach Präparation bzw. Herstellung drei bis vier Wochen. Nach der Herstellung wird der Clip, wie die Transplantate seit vielen Jahren auch, tiefgefroren bei mind. – 60 Grad Celsius gelagert. Alle wertvollen Faktoren der AM werden durch das Gefrieren nicht beeinträchtigt. Studien zeigen sogar, dass sie über das native Gefrieren besonders gut bewahrt bleiben. Im Moment darf ein fertiger Ring max. drei Monate lang nach Herstellung gelagert werden. Ziel ist eine längere Lagerbarkeit von bis zu einem Jahr, wie es bei den Amniontransplantaten bereits der Fall ist. Der Versand erfolgt bei dem AC+ ebenfalls auf Trockeneis. Das Auftauen dauert bei Raumtemperatur etwa eine halbe Stunde. Innerhalb von sechs Stunden muss der AC+ bei einem Patienten dann angewendet werden.

Was sind die weiteren Schritte?

Die Herstellung soll in Schwerin und bald auch hier in Hannover stattfinden. Alle Anwendungsergebnisse werden wir ausführlich dokumentieren. Parallel arbeiten wir an einer Weiterentwicklung, um zukünftig verschiedene Größen und Stärken anbieten zu können.

Gibt es eine Alternative zum AC+?

Die DGFG ist europaweit die einzige Gesellschaft, die ein solches Gewebepräparat in Deutschland abgeben darf. In den USA gibt es ein ähnliches Produkt, das jedoch aus einem anderen, wesentlich steiferen Material besteht. Der AC+ hingegen liegt mit einer dem Augapfel angepassten weichen Silikonschicht auf. Eine prima Erfindung und wir freuen uns, diese nun auch an Patienten abgeben zu dürfen – in Deutschland und vielleicht ja zukünftig auch darüber hinaus. Ich arbeite im Moment für ein von der EU gefördertes Netzwerk, der sogenannten COST (European Cooperation in Science & Technology), zum Austausch europäischer Erkenntnisse und für die Förderung, Produkte aus perinatalem Gewebe in Europa verfügbar zu machen (SPRINT). Als Leiterin der Arbeitsgruppe „regulatory and ethical aspects“ setze ich mich mit der Problematik auseinander, welche Zulassungs- und Genehmigungsbestimmungen für ein solches Gewebepräparat in den jeweiligen Ländern herrschen. Ziel ist es, auch Patienten aus anderen Ländern diese Therapieoption zur Verfügung zu stellen.

¹ Engelmann K, Kotomin I, Knipper A, Werner C. Nahtlose Amnionmembrantransplantation. Ophthalmologe. 18. Mai 2013;110(7):675–80.

Kotomin I, Valtink M, Hofmann K, Frenzel A, MorawietzH, Werner C, u. a. Sutureless fixation of amniotic membrane for therapy of ocular surface disorders.PLoS ONE. 2015;10(5):e0125035.