Einblick Mentoring-Programm:

Wie neue Mitarbeitende in der Gewebespende starten

Dr. rer. nat. Lena Mühlenbruch ist seit November 2022 Gewebespendekoordinatorin am Standort Stuttgart. Seit über einem Jahr begleitet sie zudem neue Mitarbeitende im Bereich Gewebespendekoordination (GSK) im Rahmen eines Mentoring-Programms – eng, strukturiert und stets individuell. Im Interview spricht sie über die zentralen Schritte der Einarbeitung, über Unsicherheiten, die dazugehören und darüber, warum es kein Berufsbild gibt, das vollständig auf diese Tätigkeit vorbereitet.

Wie würdest Du Deine Rolle als Mentorin beschreiben und wie bist Du zu dieser Aufgabe gekommen?

Bereits während meiner Doktorarbeit habe ich Studierende im Praktikum sowie bei Abschlussarbeiten betreut, was mir immer viel Freude bereitet hat. Deshalb habe ich damals gefragt, ob ich Mentorin werden darf, da es sich dabei um eine sehr ähnliche Rolle handelt.

Als Mentorin geht es vor allem darum, neue Mitarbeitende in den Job einzuarbeiten. Die intensivste Phase sind dabei die ersten zwei bis drei Wochen. Ich nehme die neuen Kolleg:innen dann überall mit hin, erkläre ihnen die Abläufe und stehe ihnen eng zur Seite. Aber auch nach dieser ersten Phase stehen wir in Kontakt. Die gesamte Einarbeitungszeit erstreckt sich meist über drei Monate bis zum abschließenden Einarbeitungsgespräch.

Gerade weil viele GSK später einen eigenen Standort betreuen, ist die Begleitung in der Anfangszeit wichtig. Sobald sie die praktischen Aufgaben beherrschen, kann die selbstständige Arbeit beginnen. Alles Weitere kann auch online begleitet werden.

Ist es wichtig, an Erfahrungen anzuknüpfen?

Ja, auf jeden Fall. Die Einarbeitung ist individuell und hängt davon ab, welchen Hintergrund jemand mitbringt. Wenn jemand – so wie ich damals – aus einem ganz anderen Bereich kommt und vielleicht noch nie einen Verstorbenen gesehen hat, dann ist es wichtig, ihn besonders sensibel und vorsichtig heranzuführen. Anders ist es bei Personen, die bereits vor Jahren eine Pflegeausbildung gemacht haben und somit Erfahrung im Umgang mit Verstorbenen mitbringen.

Als Mentorin muss ich ein gutes Gespür dafür entwickeln, in welchen Bereichen ich eher langsam oder auch schneller an bestimmte Aufgaben heranführen kann.

Theorie und Praxis laufen bei der Einarbeitung meist parallel. Neue Mitarbeitende starten auch mit Online-Kursen, zum Beispiel zur postmortalen Blutentnahme oder zum Versand von Gewebespenden – das sind Themen, die man am Anfang wirklich braucht. Weitere theoretische Inhalte folgen dann schrittweise. Wichtig ist, dass sie zu Beginn gut vorbereitet sind, um am eigenen Standort selbstständig starten zu können. Deshalb gebe ich klare Empfehlungen, welche Kurse sie zuerst absolvieren sollten und welche später sinnvoll sind.

Folgt die Einarbeitung einem Ablauf und wann ist sie abgeschlossen?

Natürlich haben wir ein Protokoll, in dem festgelegt ist, wie viele Entnahmen unter Begleitung durchgeführt werden müssen. Das ist auch einer der Gründe, warum Stuttgart als Einarbeitungsstandort so gut geeignet ist: Hier gibt es viele Spenden, sodass in kurzer Zeit viele praktische Erfahrungen gesammelt werden können. Wenn jemand nur zwei Wochen hier ist, ist es ideal, wenn in dieser Zeit die geforderten Entnahmen absolviert werden.

Irgendwann merke ich einfach: Okay, jetzt fasst die Person Vertrauen in das, was sie tut. Dann ziehe ich mich langsam zurück. Bei einer der nächsten Entnahmen greife ich nur im Notfall ein oder wenn die Person mich ausdrücklich um Unterstützung bittet.

Trotzdem wird es immer Bereiche geben, in denen man nie auslernt. Abstimmungen und Rückfragen bleiben Teil des Alltags, gerade zu Beginn. Erfahrungsgemäß hat eine neue GSK bzw. ein neuer GSK bei uns am Ende der zweiten Woche oft schon die erste Zustimmung erhalten und damit auch die erste eigene, vollständig begleitete Spende durchgeführt.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit in Eurem Mentoring-Team?

Derzeit sind wir neun Mentor:innen, die regional verteilt arbeiten. Das bedeutet, dass wir für unsere jeweilige Region zuständig sind, insbesondere wenn dort neue Mitarbeitende eingestellt werden. Etwa alle drei Monate finden regelmäßige Meetings statt. Dort tauschen wir uns über aktuelle Themen aus, beispielsweise über neue Stellenausschreibungen, den Stand der Einarbeitung, Veränderungen im Protokoll oder besondere Erfahrungen, die jemand gemacht hat. Die Treffen helfen uns, auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

Was bereitet Dir an dieser Aufgabe am meisten Freude?

Ich mag es, meine eigenen Erfahrungen weiterzugeben. Vor allem, wenn ich auf Dinge hinweisen kann, die mir selbst einmal aufgefallen sind. Mir ist wichtig, dass alle mit einem guten Gefühl starten, gerade weil unsere Tätigkeit besonders ist. Wir arbeiten mit Verstorbenen und trauernden Angehörigen, was mitunter herausfordernd sein kann. Gleichzeitig gibt es viele berührende und sinnstiftende Momente, zum Beispiel, wenn eine Spende zustande kommt oder wir Rückmeldungen zu einer erfolgreichen Transplantation erhalten. Diese Freude weiterzugeben, motiviert mich in meiner Rolle als Mentorin.

Wenn jemand die erste eigene Zustimmung erhält und anschließend die erste eigene Spende begleitet, ist das für alle ein besonderer Moment. Ich freue mich dann immer mit. Es ist etwas ganz Besonderes, wenn Angehörige einem so sehr vertrauen, dass sie einer Spende zustimmen. Diese ersten Erlebnisse bleiben mir bei allen, die ich bisher begleiten durfte, besonders in Erinnerung.